Kolumne

21

Von
Jens Nielsen

Die Jens-Nielsen-Kolumne

Einmal, als ich jung war, 21 oder so, stand ich an einem Vormittag an einer Bushaltstelle in der Stadt. Eine Frau kam um die Ecke, stand auch hin und wartete. Ich sah sie an und wusste, das wird meine Frau. Der Bus kam angefahren, wir stiegen ein und fuhren. Ich wollte sie ansprechen, hatte aber keinen Text. So stand ich da und schwieg. Am nächsten Morgen ging ich wieder zur Station und war jetzt vorbereitet. Alles, was es brauchte, hatte ich mir notiert.Das ganze Repertoire. Hallo sagen. Zu ihr treten, wenn sie lächelt. Freundlich sein. Paar Fragen stellen, unaufdringlich. Hören, was sie sagt. Dann sagen, wer ich selber bin. Was ich so mache. Antwort geben, wenn sie Fragen hat. Jedoch mit knappen Worten. Dann die Einladung zum Kaffee, später mal zum Dinner. Und so weiter. Aber sie ist nicht erschienen. Am nächsten Tag ging ich noch einmal zur Station und wartete. Sie kam nicht mehr. Ich wartete den ganzen Tag. Am nächsten wieder. Tagelang an dieser Haltestelle. Dann die Nächte durch. Wo nachts gar keine Busse fahren. Ich musste warten. Konnte nirgends hin. Ich schlief auf einer Bank dort. Ass kaum noch. Ich bettelte. Monate vergingen. Herbst. Der Winter kam. Die Kälte. Mein Füsse wurden schwarz. Dann kam der Frühling. Dann das nächste Jahr. Das übernächste. Ich war fixiert. Unheilbar krank vor Sehnsucht. Unfähig, mich im Leben zu bewegen. Eine Sehenswürdigkeit an einer Haltestelle. Aus Shanghai kamen sie, nur um mich anzugaffen, wie ich rief und stotterte. Nicht einmal ihren Namen kannte ich. Und meine Frau, also die sie hätte werden können. Nichts davon hat sie erfahren.