Vor gefühlt etlichen Jahren, als meine zweite Lebenshälfte angefangen hätte, überlegte ich, was ich in dieser Zeit noch Sinnvolles beginnen wollte. Doch mir fiel nichts ein. Da verspürte ich ein wenig Angst. Was, wenn mir in der ganzen zwei ten Lebenshälfte nichts mehr Gutes einfällt, was ich gerne machen will. So beschloss ich, ein Gesuch zu stellen, um später geboren worden zu sein, als ich geboren worden war, um rückwirkend ein wenig länger in der ersten Lebenshälfte ver weilen zu können, was wiederum die Zeit ausdeh nen würde, in der ich mir sinnvolle Tätigkeiten für die später dann doch einsetzende zweite Lebens hälfte überlegen konnte. Ich hatte etwas Mühe, mein Gesuch zu formulieren, aber es gelang. Ich arbeitete die Nacht hindurch, am nächsten Mor gen reichte ich meinen Antrag bei den obersten Instanzen ein. Ich war seit kurzem dort per Du, das erleichterte mir den Zugang, bzw. ich hatte dadurch Kenntnis einer Hintertür. So wurde mein Gesuch sofort behandelt, nicht wie sonst im Allge meinen stark verspätet oder nie. Und siehe, mei nem Antrag wurde stattgegeben. Ich fühlte mich auf einmal jünger. Auch in den Urkunden und auf den Ämtern war mein Geburtsdatum so weit nach vorn verschoben worden, wie ich es erbeten hatte. Ich freute mich. Leider war mein Sparkonto entsprechend meiner Jugend wieder klein, doch es hatte schon genügend Geld, um tüchtig einmal dick zu essen, wie man sagt. Während meiner Schlemmerei mit Wein im teu ersten Lokal der Stadt fiel mir denn auch etwas ein, was ich in Zukunft, also in meiner zweiten Lebenshälfte, machen würde. Doch das hatte Zeit.
Jens Nielsen wollte ursprünglich die Hundeschule besuchen, wurde dann aber Schauspieler und Autor. Er ist Mitglied der Musikformation SEN-Trio mit Ulrike Andersen und Hans Adolfsen und arbeitet regelmässig für SRF2 Kultur. Einige seiner Vergehen sind hier aufgeführt: www.jens-nielsen.ch