Ausstellung

Blinddate mit Fortsetzungsgeschichte

Von
Michael Hunziker

Im Zeichen des Prozesses: Das Zimmermannhaus eröffnet ein Provisorium.

Das Zimmermannhaus in Brugg hat für die nächsten drei Jahre mehr Platz geschaffen: Im Rahmen einer Zwischennutzung bespielen Künstler*innen das gesamte Haus. Dass dabei Potentiale und Grenzen ausgelotet werden, gehört zum Programm.

Wie bei einem besetzten Haus hängt ein Transparent an der Fassade des Zimmermannhauses. Seine Botschaft ist aber nicht wie gewohnt zu dechiffrieren. Rätselhaft. Keine Parole. Doch ein markantes Zeichen. Vieldeutig ist diese schwarze Fläche auf weissem Tuch. Was steckt wohl dahinter?

Zum einen ist das Transparent eine Arbeit von Künstlerin Petra Njezic, die zusammen mit der Skulpturistin und Installationskünstlerin Davina Andrea Deplazes hier ihre Residenz aufgeschlagen hat. Die beiden sind für die Zeit zwischen Januar und Ende Februar quasi ein «Blinddate» eingegangen, wie es Andrea Gsell ausdrückt. Die Kuratorin des Zimmermannhauses hat die Künstlerinnen zusammengeführt und ihnen die Gelegenheit gegeben, als erstes Duo die erweiterten Räume des Hauses erst als Atelier, dann als Ausstellungsraum zu bespielen. Zum anderen ist das Transparent auch Zeichen des Prozesses, in dem das Zimmermannhaus sich befindet – von daher verfängt die Analogie auf die Hausbesetzung.

Als die Brugger Bibliothek vor Kurzem auszog, wurden die Räume frei. Weil nicht klar war, ob und wie diese zwischengenutzt werden, hat sich Gsell in die Gespräche eingebracht. «Meine Vision war, hier etwas auszuprobieren und damit auch die Identität des Zimmermannhaus als einzige städtische kulturelle Institution neben dem Stadtmuseum zur Diskussion zu stellen.» Etwas peripher ausserhalb der Altstadt gelegen ist es für das Haus herausfordernd, in der breiten Bevölkerung Aufmerksamkeit zu erhalten. Dabei ist es auch als öffentlicher Begegnungs- und Diskussionsort gedacht. Gsells Ziel während der nächsten drei Jahre ist es, dieses Potential des Hauses auszuloten.

Das Blinddate hat gut gestartet: Njezic pendelt beinahe täglich von Aarau in ihr temporäres Atelier nach Brugg. Ihrer künstlerischen Praxis kommt die Residenz entgegen: Sie kann ihre abstrakte Malerei zu raumgreifenden Installationen erweitern. Das Transparent mit der schwarzen Fläche, die einem Stein oder besser einem Felsen gleicht, begegnet einem im Innern des Zimmermannhauses in verschiedenen Spielarten wieder. Daneben fallen die in Gips gegossenen Backsteine auf, die in eine Referenzbeziehung mit ihnen treten. Und langsam löst sich das Rätsel: «Die Arbeiten verweisen auf die Ziegelsteinhäuser im Dorf meiner Herkunft in Kroatien. Mehrmals wurde es zerstört, Erdbeben, Krieg, und immer wieder aufgebaut», so Njezic. Der Stein als Symbol für Resilienz, Dekonstruktion und Konstruktion.

Die Künstlerin schätzt es, für einmal nicht bloss auf eine Ausstellung hinzuarbeiten, sondern sich ganz bewusst dem Prozess des Kunstschaffens zu widmen. Davina Andrea Deplazes stimmt dem zu. Die in Luzern wohnhafte Bündnerin aus der Surselva, wird, soviel sei verraten, den Boden eines ganzen Raums mit gegossenen Bodenplatten auskleiden und zu einem sinnlichen, haptischen Erlebnis werden lassen. Zudem sind einige kleine und grössere Nester zu sehen – die bereits durch Njezic angelegten Motive werden durch Heimat und Geborgenheit erweitert. Und selbst das Format Residenz ist davon thematisch nicht weit entfernt. Jeweils an Mittwochabenden wird das Atelier geöffnet. Die Öffentlichkeit kann die Künstlerinnen besuchen, die Entstehung der Arbeiten verfolgen und mitdiskutieren. Gsells Absichten scheinen aufzugehen, die Resonanz ist gross, die Menschen kommen und sind neugierig. «Wir möchten zeigen, wie Kunst arbeitet, wie sie wirkt. Und diese Reibungen produktiv weitergeben.» Eine Fortsetzungsgeschichte, vorerst für die nächsten drei Jahre.