Wenn schon das Wünschen nichts mehr hilft – die letzten Jahre sprechen leider nicht nur mit Blick auf die geopolitische Lage dafür – so mag uns vielleicht das Fürchten, Schaudern, Gruseln helfen, mit der Gegenwart fertig zu werden. Das ist ja seit jeher das Rezept des Horrors: Er erlaubt durch einen popkulturellen Zerrspiegel die Begegnung mit dem Abseitigen. Die filmischen und literarischen Fiktionen beschwören dystopische Alptraumwelten herauf, die in einem Kontrast zu unserem Alltag stehen. Das Böse tritt auf die Bühne und waltet nach jenseitigen Gesetzen: Seine perverse Genialität stellt es in den Dienst seiner Blut- und Machtgier (Vampire). Oder animalische Monster reiten als säkuläre Ritter der Apokalypse auf dem Destruktionstrieb über alles, was uns lieb und wichtig ist, hinweg (Zombies). Schrecklich. Und gleichzeitig macht der Grusel seltsamerweise Spass. Gebannt, vielleicht sensationslustig, schauen wir auf den Niedergang der Welt, auf dieses orgiastische Worst-Case-Szenario.
Jene von Ihnen, die sich etwas näher mit dem Horrorgenre auseinandersetzen, kennen die perfide Pointe, die sich die Filmschaffenden im Zweig des «Environmental Horror» ausgedacht haben. Hier kommt das Böse nicht einfach vom Himmel heruntergefallen, ist kein metaphysisches unerklärliches Prinzip, sondern erhebt sich nahtlos aus unserem Alltag, wie wir ihn kennen, als die direkte Folge unseres Lebensstils. Das Böse entsteht also aus einer von uns Menschen aus dem Gleichgewicht gehebelten Natur, aus sozialen Unterdrückungsverhältnissen oder auch aus der entfesselten Wissenschaft. Nun stehen die Monster nicht nur für die verdrängten ekelhaften und triebhaften Seiten unserer Existenz, sondern sie werden zu den Schuldeneintreibern unseres kollektiven Versagens. Wir leben auf der Erde und untereinander ja immer auf Pump. Die Filme zeigen uns: Die Natur ist kein Selbstbedienungsladen und sie vergisst nicht. Das ist jetzt keine Öko-Eso-These, sondern schlicht die Logik kausaler Zusammenhänge – der Klimakollaps und soziale Unruhen sind sehr einfache Rechnungen. Klar, am Ende kommt kein King Kong oder Godzilla auf uns zu – aber vielleicht Viren oder Pilze oder fiese Moleküle. Gibt es Vorboten? Hohe Eierpreise, Erdrutsche, Hochwasser, Winter ohne Schnee, unfruchtbare Fische, Bienensterben? Das Subgenre Eco-Horror, das also aktueller denn je scheint, stellt das diesjährige Horrorfilmfestival «Brugggore» in den Fokus seiner fünften Ausgabe.
Neben den kathartischen Momenten, die uns im besten Fall auch etwas vom Unbehagen erleichtern, mit dem wir uns in unserem Alltag aufgeladen haben, kalibriert sich unser moralischer Kompass im Durchgang durch das Gruselkabinett. In der Steigerungsform des Horrors sehen wir die Wirklichkeit schärfer. Soweit darf es nie kommen!, sagen wir uns. Von diesen Fiktionen lassen wir uns nicht einholen! Halten wir am Humanismus fest! So zuversichtlich und entschlossen aus dem Kino kommen, ist doch mal was anderes, als resigniert die Nachrichten-App zu schliessen. Wir wünschen «bonne projection!»