Die Eva-Seck-Kolumne
Ich schreibe diese Kolumne am feministischen Kampftag und gehe schwimmen, während draussen Männer die Welt verbrennen. In der Frauenumkleide (zusätzliche All-Gender- Kabinen, wann?) – grauer Linoleumboden, hellbraune Holzbänke, Aluminiumhaken – werde ich begrüsst, obwohl ich keine der anderen kenne, ziehe mich ohne Scham um, hier wird niemand angestarrt, schlüpfe in Badeschlappen, streife die Bademütze über, schnappe meine Tasche. Eine Frau, die sich gerade den Velohelm aufsetzt und zum Ausgang läuft, verabschiedet sich: «Tschühüs! » Wie lieb, denke ich, schlappe hinüber zum Becken. Während der Schwimmzüge denke ich an die Bücher, die ich gerade lese: Heike Geißlers «Verzweiflungen», Aya Cissokos «Kein Kind von nichts und niemand», Laura Leupis «Alphabet der sexualisierten Gewalt». Und mit jedem Schwimmzug werde ich wütender über die Schrecklichkeiten der Vergangenheit, über den weltweiten Aufstieg des Faschismus, über die Gewalt, die in jedem beliebigen Schweizer Zuhause stattfindet. Als ich nach dreissig Minuten aus dem Becken steige, bin ich richtig geladen. Ich stolziere am Bademeister vorbei, der mich nicht beachtet, schlappe zurück in die Kabine, unter die Dusche – Fliesenboden, drei Brausen mit zu wenig Druck, verbeulte Aluminiumduschkörbe – neben mir eine ältere Dame, sie schäumt sich den Kopf ein und lächelt mir zu und irgendwann ruft sie, Schwimmen ist das Schönste, und ich verstehe, Duschen ist das Schönste, sie lacht: das auch. Als ich die Frauenumkleide – diesen freundlichen und solidarischen Safe Space – verlasse, fühlt sich mein Herz gewappnet an für den heutigen Tag und die Welt da draussen.
Eva Seck (*1985 in Rheinfelden) schreibt Lyrik, Prosa und essayistische Texte. Ihr letzter Gedichtband «versickerungen » erschien 2022 im Verlag «die brotsuppe» in Biel. Sie lebt mit ihrer Familie in Basel.