«Ohne klare politische und finanzielle Unterstützung wird es schwierig»: Clo Bisaz.
In Zeiten gesellschaftlicher Diffusion: Kulturhäuser leisten für den Zusammenhalt einen nicht zu unterschätzenden Beitrag. Gerade an der geografischen und sozialen Peripherie. Ohne das ehrenamtliche Engagement einzelner Personen wäre das nicht möglich. Wir haben uns umgehört, was die Macher*innen vor Ort umtreibt.
In den letzten 20 Jahren hat sich das kulturelle Schaffen in der Peripherie durch verschiedene Faktoren verändert. Das riesige Überangebot an Veranstaltungen und die Digitalisierung stellen Theater in ländlicheren Regionen vor große Herausforderungen. Der Zugang zu Kultur ist zwar leichter geworden, doch die Aufmerksamkeit und Bindung des Publikums sind schwieriger zu gewinnen. Der kulturelle Markt ist unberechenbarer geworden.
Der Theaterbereich hat in den letzten Jahren an Komplexität zugenommen. Das Publikum ist unverbindlicher geworden und seine Bedürfnisse sind schwieriger einzuschätzen, was eine agilere Planung erfordert, um auf unerwartete Veränderungen reagieren zu können. Gleichzeitig steigen die administrativen Anforderungen und die Planungsvorläufe.
Das Theater am Bahnhof (TaB) in Reinach muss sich in dieser neuen Realität orientieren. Es steht vor der Herausforderung, seine Programmatik und Struktur flexibel und anpassungsfähig zu gestalten. Für das TaB ist es entscheidend, sowohl das Publikum als auch die Mitarbeitenden aktiv in diesen Prozess einzubeziehen und eine enge Zusammenarbeit mit der lokalen Gemeinschaft zu pflegen. Nur mit starken Partnerschaften zwischen dem Theaterbetrieb, den öffentlichen Stellen und der Bevölkerung kann das TaB auch in Zukunft als Kulturort in einer ländlichen Regionen bestehen und sich weiterentwickeln.
Die Zukunft des TaB sieht dennoch positiv aus. Als eines der schönsten Kleintheater der Schweiz hat es das Potenzial, auch weiterhin ein wichtiges kulturelles Aushängeschild für die Region zu sein. Langfristig wird das Überleben des Kulturhauses jedoch massgeblich von der Unterstützung durch den Kanton, der Kommunen und der Sponsoren abhängen. Ohne klare politische und finanzielle Unterstützung wird es schwierig sein, die nötigen Ressourcen zu sichern.
Clo Bisaz (1958* in Chur) lebt in Beinwil am See. Er ist Schauspieler und Theaterpädagoge und leitet seit 2005 das TaB in Reinach AG. Ende Jahr übergibt er die Leitung an Daniel Hölzinger.
Ein Ort für Mitgestaltung und Engagement: Das Meck in Frick.
Die Kulturvereinigung Urschrei entstand 1986 mit dem Ziel Jugendkultur Platz und Akzeptanz in der Gesellschaft zu schaffen. Damals fehlte es an Freiräumen und Unterstützung für «Krach-Konzerte». Heute sind wir ein Teil des kulturellen Angebotes, regionaler Treffpunkt, Standort- und Wirtschaftsfaktor sowie ein Arbeitgeber. Ein kleiner Leuchtturm. Aus der Pionierarbeit entstand ein etablierter Kulturort mit definierten Grundsätzen und einer DNA:
Wir pflegen flache Hierarchien. Wir sind kulturell engagiert, sozial und umweltbewusst. Wir sind politisch und konfessionell unabhängig. Wir gestalten das kulturelle Programm im Hause Meck. Wir sind eine offene Plattform mit familiärem Charakter. Wir sind vernetzt.
Wie andere Vereine kämpfen wir mit Nachwuchsproblemen in der Vereinsarbeit. Bei manchen Veranstaltungen wünschten wir uns höhere Besucherzahlen, während andere sehr gut besucht sind.
Das Meck ist zu einem grossen Teil selbst tragend und könnte jedoch mit wenig zusätzlichen Finanzen die Kulturarbeit etwas sorgloser weiterführen.
In ehrenamtlicher Arbeit werden im Meck jährlich über 50 Kulturveranstaltungen organisiert. Um diesen Kulturraum als Ort für Mitgestaltung und Engagement im Fricktal zu bewahren und weiterzuentwickeln, brauchen wir frischen Wind.
Cornelia Brennwald und Margot Reimann, Vorstand Verein Urschrei
«Unglaubliche Anzahl Events für ein kleines Haus wie wir es sind»: Martin Willi. zvg
Unser Kulturlokal betreiben wir nun im elften Jahr. Als wir den Verein gegründet haben, hätten wir nie gedacht, welch grosses Ausmass dies annehmen würde. Dieses Jahr werden wir es auf 46 öffentliche Events bringen, eine schier unglaubliche Zahl für ein kleines Haus wie wir es sind mit rund 60 Zuschauerplätzen. Grundsätzlich sind wir gut unterwegs, was uns aber Sorgen macht, ist die Zukunft betreffend Organisation. Die Hauptarbeit liegt derzeit auf den Schultern des Betriebsleiters. Es stellt sich uns die Frage, wie weiter, wenn er dies nicht mehr ausüben kann oder will? Auch die Stellvertretung bei einem temporären Ausfall ist nicht geregelt und gewährleistet.
Betreffend Zuschauer sind wir zufrieden. Was uns aber fehlt ist ein Stammpublikum. Da unsere Events in sehr vielen verschiedenen Genres angesiedelt sind haben wir immer wieder ganz unterschiedliche Gäste. Zudem kommen diese aus einem weit gestreuten Gebiet, Zuschauer aus Laufenburg sind meistens in der Unterzahl. Obwohl wir bewusst auch Veranstaltungen für Junge anbieten, wie ein Local Day oder ein Open Mic, können wir leider zu wenig junges Publikum auf die Dauer anlocken. Finanziell sind wir aktuell zufrieden, da wir auf einige langjährige Gönner zählen dürfen. Doch was ist, wenn diese dereinst abspringen?
Martin Willi, Kulturschaffend seit 1990, Regisseur des theater WIWA Laufenburg seit 2003, Betriebsleiter der kultSCHÜÜR Laufenburg seit 2014
Engagement für eine resiliente und entwicklungsfähige Gesellschaft: Das Team des Royals.
Desborough
Unser K(r)rampf ist systemisch. Wir zahlen hohe Miete und tiefe Löhne, während Anforderungen an Technik, Professionalität und Angebot steigen. Wir müssen uns mit dem viel grösseren Kulturplatz Zürich messen. Das ist inspirierend aber auch ernüchternd, weil wir nicht die gleichen Möglichkeiten haben. Als Bezugspunkt vieler Badener*innen haben wir engagierte Unterstützende, die finanziell und physisch mit anpacken – das ist einmalig. Trotzdem müssen wir uns ständig fragen: Wie lange können wir das alles noch halten?
Auch merken wir, dass sich unsere soziale Umgebung nicht nur zum Guten verändert. Wir versuchen, gemeinschaftliche Kontrapunkte zu setzen in einem Klima von Vereinzelung und Prekarisierung. Durch preisliche sowie inhaltliche Zugänglichkeit, durch Awareness-Arbeit, durch diverse Angebote für Pubertät bis Pension. Kürzlich klebten uns Nazis hässliche Sticker ans Haus. Das zeigt uns, wie immens wichtig auch die Arbeit des Aargauer Offenen Antifaschistischen Treffens (OAT) ist, das regelmässig bei uns politische Aufklärung betreibt.
Für die Zukunft wünschen wir uns öffentliche, politische, und ja, auch finanzielle Wertschätzung. Für die unerlässliche Arbeit, die unzählige Freiwillige und fortschrittlich orientierte Kulturbetriebe ganz allgemein leisten, für eine resiliente und entwicklungsfähige Gesellschaft.
Marlene Rainer für das Royal-Kollektiv
Eva Keller Steimen. zvg
Der Sternensaal wird seit 1987 vom Verein für Kultur im Sternensaal betrieben. Er veranstaltet jährlich rund 40 Anlässe. Überlebt hat er gut, auch über die Pandemie, weil das Vereinsdenken nach wie vor an erster Stelle steht: ehrenamtliche Arbeit für alle.
Wir hatten schon immer einen Vorstand mit Statuten, Chargen und einer GV, wie es sich für einen richtigen Verein gehört. Es steckt aber viel mehr dahinter. Wir wussten immer, dass man von Spezialisten*innen profitieren kann. So von der treuen Kassierin (seit 1987) und Präsidentin (seit 1998) vom kreativen Bettelbriefschreiber, von den kulturhungrigen Programmierer*innen, vom engagierten Barbetreiber, von den digital Natives, von den umtriebigen Funkenbetreiberinnen, von den Einsätzen an Technik, Kasse, Bar und last but not least vom erfolgreichen Aufruf zum Putzen und Räumen. Und alle paar Jahre gibts eine Eigenproduktion: Amateurschauspieler*innen agieren dann auf der Bühne unter professioneller Leitung. So findet die Première von unserem nächsten Stück «Sechs Beine – eine Theaterexpedition» am 16. Mai im Wohler Kulturwerk statt.
Das Team ist älter geworden, aber auch das Publikum und die Spender*innen. Es muss uns gelingen, das Vereinsleben und die Veranstaltungen so attraktiv zu gestalten, damit der Verein lebendig bleibt, auch jüngeres Publikum kommt, die öffentlichen Gelder selbstverständlich bleiben und die Spenden weiterhin fliessen. Ein »Krampf«, der Spass macht und sich lohnt!
Eva Keller Steimen, Präsidentin Verein Kultur im Sternensaal
Die Kleine Bühne Zofingen kämpft mit Long- Covid-Folgen: Sabina Gloor
Die ehrenamtlich geführte Kleine Bühne Zofingen hat seit ihrer Gründung 1971 doch schon einiges erlebt. Im Moment kämpft sie immer noch mit den Langcovid-Folgen. Das Stammpublikum hat sich verkleinert, ist etwas jünger und bucht oft erst im letzten Moment. Seltener sind die Abende auch bei bekannten Acts ausverkauft. Das Einzugsgebiet der Besucher hat sich vergrössert, soziale Medienpräsenz, Onlinebanking und online Reservationen sind gefragt und wir mussten uns möglichst schnell mit diesen Themen auseinandersetzen und den Spagat zwischen dem älteren und dem neueren Publikum schaffen. Das Jugendtheater Toi Toi Toi mit den jährlichen Eigenproduktionen ist eine grosse Freude. Der «Theaterfunken», eigentlich ein Top-Angebot für Schulen, bereitet uns im Moment grosse finanzielle und personelle Sorgen. Der organisatorische Aufwand ist riesig und die Gagenforderungen werden immer höher, so dass sie für ein Haus mit höchstens 100 Plätzen fast nicht mehr tragbar sind. Wie weiter, wissen wir noch nicht, aber bis jetzt haben wir jede Herausforderung gemeistert. In der Summe macht uns und dem Publikum die Kleinkunst grosse Freude, was unser Herzblut weiter pulsieren lässt!
Sabina Gloor und Thomas Hirt, Programmation und Vorstand Kleine Bühne Zofingen
Fotos: Oliver Moor