Welche inneren Bewegungsgesetze bestimmen die Geschichte und auf welche Zukunft läuft sie zu? Diese Frage beschäftigt Gelehrte von der Antike bis zur Gegenwart. Ein kleiner Überblick.
Angelehnt an die ewigen Kreisläufe der Natur, wird das Weltgeschehen im zyklischen Geschichtsverständnis als Wiederholung des immer Gleichen interpretiert. So wie das Auf und Ab der Sonne oder der Wechsel der Jahreszeiten werden Gesellschaften, Kulturen und politische Systeme als eine ewig gleiche Bewegung verstanden. Das zyklische Geschichtsverständnis gilt als ältestes westlich-philosophisches Geschichtsdenken, das auf Polybios (ca. 200 –120 v. Chr.) zurückgeht: Für den antiken griechischen Geschichtsschreiber sind politische Systeme alter nierend von Entstehung und unausweichlichem Verfall geprägt. Das lineare Ge schichtsverständnis wird geprägt von der Vorstellung einer kontinuierlichen Fort schrittsentwicklung. So sah Immanuel Kant (1724 –1804) Geschichte als «Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur». Für Kant liegt diese Natur absicht in der Entwicklung der Vernunft: Ganz im Sinne der Aufklärung ist Geschichte so betrachtet zivilisatorischer Fortschritt, der uns schliesslich über Krieg und Gewalt erheben soll. Wie keine andere Geschichtsvorstellung hat sie das Denken und Handeln der westlichen Moderne geprägt («Vorwärts immer, rückwärts nimmer!»).
Die disruptive Geschichtsauffassung grün det im Wesentlichen auf einer jüdisch-christlichen Tradition, wonach das plötzliche Erscheinen eines Messias die chronologische Zeit durch brechen und eine neue (Heils-)Zeit einleiten wird. Das letzte Buch des Neuen Testaments, «Die Offenbarung des Johannes», ist wohl das bekannteste Beispiel eines disruptiven Ge schichtsverständnisses. Der Apostel beschreibt in seinen apokalyptischen Prophetien die Wiederkehr des Messias, bei welcher nicht nur die Welt, sondern auch die Zeit und mit ihr die Geschichte an ihr Ende kommen werden: Das mit der Rückkehr des Messias einsetzende Reich Gottes ist nicht mehr dem Zeitverlauf ausgeliefert.
Man könnte sich nun fragen, welchem An satz unsere Gegenwart mit ihren schweren Krisen am ehesten Recht gibt. Nummer eins ist es hoffentlich nicht (bitte keine Wiederholung), zwei kann es nicht sein (ausser die Natur will sich selbst vernichten) und drei – auf ein Ende der Gewalt ist zu hoffen, aber auf ein Ende der Zeit?
Rudolf Velhagen, Chef kurator bei Museum Aargau, erkundet an dieser Stelle die ver borgenen Botschaf ten der Dinge. Nicht weniger als 55 000 historische Objekte aus der kantonalen Sammlung warten auf ihre Befragung.