Das Stück «Ecosytem» der Group50:50 zeigt in der Alten Reithalle, wie mit Mitteln des Theaters zu einer dekolonialen Ökologie beigetragen werden kann.
An der Geschichte des Waldes im Kongo lässt sich die Geschichte des europäischen Imperialismus in aller Tragik ablesen. Das Stück «Ecosystem» der Group50:50 hebt an bei den Zerstörungen, welche die belgischen Kolonisatoren durch die Kautschukgewinnung und Sklaverei hinterlassen haben, und blickt dann auf die späteren pestizidverseuchten Monokulturen wie Baumwoll- und Kaffeeplantagen, welche den Wäldern neben der Abholzung arg geschadet haben. Auf die Missstände reagieren nun internationale Umweltschutzorganisationen – nur kommen dadurch die lokalen Stämme in existenzielle Probleme. Jene Gruppen, die unter der Zerstörung besonders leiden, kommen auch durch den Umweltschutz in Bedrängnis.
Die Group50:50 kehrt für ihr neues Stück zurück nach Wamba, eine kleine Stadt im Regenwald des Kongobeckens und gibt den Stimmen und Geschichten der Kleinbauern aus Asandabo und der Gemeinschaft der Mbuti eine Bühne. So ist etwa Jean-Baptiste Ekaka, ein Lehrer und Aktivist aus Bagoia, zum ersten Mal nach Europa gereist und erzählt von seinem Lebensalltag und seinem Kampf gegen die Abholzung. Das Kollektiv hat während drei Wochen mit den Menschen vor Ort diskutiert und mit ihnen musikalische Performances entwickelt. Via grossformatige Videoscreens treten sie mit diesen Songs auf die Bühne. «Wir wollten ihre Musik nicht einfach aufzeichnen und auf der Bühne begleiten, sondern sie in einem musikalischen transkontinentalen Austausch transformieren», erklärt der musikalische Co-Leiter Kojack Kossakamvwe.
Und das geschieht nun auch in der Alten Reithalle. Die Produktion bindet über die Musik auch europäische Musiker*innen in einen gleichberechtigten Dialog ein. Die Songs und die Geschichten von «Ecosystem» wecken das Bewusstsein für einen differenzierten und dekolonialen Umweltschutz. Denn, wie es Eva-Maria Bertschy formuliert, die künstlerische Co-Leiterin, die auch schon mit Milo Rau zusammengearbeitet hat: «Wir können nicht die Konservierung der Wälder fordern und dabei die Konsequenzen auf das Leben der Menschen vor Ort ignorieren.»
Ihre Produktion zeigt das subversivästhetische, ja interventive Potenzial des Theaters – gut, dass die Gruppe auf ihrer Tour in Aarau für zwei Abende Halt macht.