Tagebuch

Die Geräusche dazwischen

Von
Manu Meier

Den Kanälen entlang auf der Suche nach akustischen Ruheinseln.

Tagebuch aus London von Manu Meier

London ist eine überwältigende Stadt. Das ständige Pulsieren, die vielen Menschen, das grosse Angebot, die unglaubliche Diversität und vor allem der ununterbrochene Klangteppich hat mich in den ersten Wochen ziemlich überfordert. Dennoch war ich erstaunt über den Artenreichtum inmitten dieser Metropole. Mein System brauchte ein paar Wochen, um sich an die vielen neuen Eindrücke und Umgebungsgeräusche zu akklimatisieren.

Das wunderschöne Wohnatelier in einer alten Feuerwehrstation in East-London liegt direkt an einer Autobahn. Trotz zusätzlich schallisolierter Fenster hört man vierundzwanzig Stunden das konstante Rauschen der meist stark befahrenen Schnellstrasse.

Da ich auditiv eine sehr sensible Person bin, begab ich mich auf die Suche nach akustischen Ruheinseln. Wenn es das Wetter zugelassen hat, erkundete ich mit meinem Aufnahmegerät meine Umgebung und wanderte den Kanälen entlang. Mir gefällt es an den Wasserstrassen. Entlang der Ufer ist es sehr lebendig, grün und meist ruhig. Neben einer grossen Biodiversität kreieren auch die vielen besiedelten Hausboote eine friedliche Stimmung.

London hat eine grosse Anzahl an Parks, von denen ich schon einige besucht habe. In punkto akustischer Erholung vom Stadtlärm war ich teilweise etwas enttäuscht. Zu Fuss machte ich schon viele Kilometer entlang der Themse und durch die verschiedenen Stadtteile. Immer auf der Suche nach Klangräumen, wo die Geräusche zwischen den lauten Ereignissen hörbar sind. Orte, an denen es möglich ist, nebst dem stetigen urbanen Treiben, das Klangbild der Stadt besser zu hören. Orte, an denen es möglich ist, zum Beispiel das Singen der Vögel, das Plätschern eines Brunnens oder auch die eigenen Schritte wahrzunehmen. Orte, die ich als akustische Lücken in dem stark verwobenen Klangteppich der Grossstadt bezeichne.

Neben der Feldrecherche arbeite ich im Moment am Konzept und den ersten Kompositionen einer Klanginstallation für eine Ausstellung im September und bereite mich auf eine Performance in der zweiten Jahreshälfte vor. Ich freue mich sehr auf den Frühling und das Aufblühen der Stadt. Auf mildere Temperaturen, um mehr Zeit draussen zu verbringen, längere Aufnahmesessions zu machen und meine Klangforschung vertiefen zu können.

MANU MEIER

(*1984, Baden) lebt und arbeitet in Basel. In ihrer künstlerischen Praxis befasst sie sich mit der akustischen Beschaffenheit unserer Alltagsumgebung. Mit ihrer Arbeit möchte sie einen Beitrag zur Gestaltung zukünftiger Klanglandschaft leisten. Ihr Fokus liegt auf urbaner Akustik im Spannungsfeld von Digitalisierung, Gesellschaft, Technologie und Biodiversität. www.manumeier.ch

Manu Meier unterwegs mit Aufnahmegerät ...