Das «offene Objekt» mit Ruedi Velhagen.
Eine rein enzyklopädisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit musealen Objekten, in denen die Frage nach Entstehungsjahr, Materialien, Masse etc. im Zentrum des Interesses steht, scheint zuweilen zu vergessen, dass Objekte nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Bedeutungsträger sind. Sie fordern uns auf, gängige Wertvorstellungen – wie die Frage nach dem, was als «schön» oder «ästhetisch» gilt, zu hinterfragen. Vom Vertrauten bis zum Aussergewöhnlichen sind Objekte demnach immer auch bedeutende kulturhistorische Zeugnisse. So verloren im Verlauf der Geschichte zahlreiche Alltagsobjekte ihre ursprüngliche Funktion, Moden und damit Schönheitsideale änderten sich, eine neue Technik löste die alte ab. Als (vermeintlich) aufgeklärte Menschen haben wir erfahrungsgemäss Mühe, Objekten immaterielle Werte zuzuschreiben, aber gleichzeitig ertappen wir uns dabei, wie uns ein Kleidungsstück ans Herz gewachsen ist und uns zuweilen jahrelang davon abhält, es weiterzugeben oder zu entsorgen und es stattdessen wie einen Fetisch aufzubewahren.
Kurzum: Objekte können auch für uns «Aufgeklärte» Kraftfiguren sein, in denen das Potenzial schlummert, auf das zu verweisen, was bei einer rein faktischen Auseinandersetzung verborgen bleibt – um hier ein weiteres Beispiel zu nennen: In den letzten Jahren hat die Bedeutung des Flickens und Reparierens von Objekten bei uns an Aktualität gewonnen – damit schliesst sich der Kreis zu historischen Objekten der Sammlung, die sichtbare Reparaturspuren aufweisen und daran erinnern, dass wir nicht immer alles umgehend weggeworfen haben.
Anhand ausgewählter «Fallbeispiele» aus den reichen Beständen der Sammlung Museum Aargau werde ich an dieser Stelle das verborgene Potenzial ausgewählter Objekte näher erkunden und mit einer persönlichen Sicht auf die Dinge zum Vorschein bringen.
Rudolf Velhagen, Chefkurator bei Museum Aargau, erkundet an dieser Stelle die verborgenen Botschaften der Dinge. Nicht weniger als 55 000 historische Objekte aus der kantonalen Sammlung warten auf ihre Befragung.