Kolumne

Eine Meinung

Von
Jens Nielsen

Die Jens-Nielsen-Kolumne

Eine Frau kommt ins Café. Umständlich. Sie geht zu einem Tisch und will sich setzen. Raus! Ruft ihr der Kellner zu hinter der Theke. Raus! Sie dreht sich nach ihm um und stutzt. Ja, gehen Sie! Ich will mich nicht verarschen lassen. Sie steht still, scheinbar erschrocken. Was ist denn das für eine Art, sagt sie. Wenn Sie bezahlen können, bleiben Sie, sonst gehen Sie! Aber ich bezahle immer, sagt die Frau. Das eben beleidigt mich, sagt er. Sie kommen hier herein, bestellen dies und das und sagen erst am Schluss, sie hätten gar kein Geld. Damit ist Schluss. Die Frau beginnt zu zittern. Oder zitterte sie vorhin schon? Sie setzt sich mühsam hin. Dort ist die Tür, sagt jetzt der Kellner laut. Ich zahle doch, sagt sie nochmals, und schaut sich um, beschämt, das merke ich. Haben Sie Geld, von mir aus. Was wollen Sie trinken? Einen Kaffee, mit Milch, bitte. Zahlen Sie 5.50 und ich bringe den Kaffee. Die Frau nimmt ihren Geldbeutel heraus. Sie öffnet ihn, sucht mit dem Finger, zählt die Münzen ab, erfolglos. Der Kellner nimmt ihr, was ihm zusteht, aus der Hand. Na gut, sagt er, geht hinter die Theke, holt ihr einen Milchkaffee. Sie schlürft. Schaut um sich. Schlürft verlegen. Kaum hat sie ausgetrunken, steht sie auf, nimmt ihre Tasse, trägt sie sorgfältig zurück. Dort nimmt sie den Geldbeutel hervor und öffnet ihn. Sie haben schon bezahlt! Ach so, sagt sie. Danke, dass sie es mir sagen. Aber seine Meinung über sie ist längst gemacht. Die Frau geht durch die Tür, steht draussen lange still, schaut um sich. Vorsichtig geht sie nach links. Obwohl sie vielleicht rechts wohnt.

Jens Nielsen wollte ursprünglich die Hundeschule besuchen, wurde dann aber Schauspieler und Autor. Er ist Mitglied der Musikformation SEN-Trio mit Ulrike Andersen und Hans Adolfsen und arbeitet regelmässig für SRF2 Kultur. Einige seiner Vergehen sind hier aufgeführt: www.jens-nielsen.ch