Käfele in Paris, läuft. Green-Shopping in Rotterdam, weil mit der Bahn. Rambazamba auf der Rambla in Barcelona. Pirouetten, die Adria hoch und runter, mit dem Jetski wie Andrea Pirlo. Expressmassagen im Hamam beim Stopover in Dubai. Pinguine füttern auf Galapagos. Sich mit dem Selfiestick Platz verschaffen, in den Warteschlangen vor dem Kolosseum. Unbedingt Bouillabaisse in Marseille. Scuba-Diving auf Ko Phi Phi. Ein bisschen Eintauchen, ja rumschnorcheln in den gastfreundlichen Kulturen («die Menschen waren ganz anders als hier»).
Die Herbstferien sind hinter sich gebracht, jetzt schon in gute Erinnerungen umgeformt und in Erzählhäppchen strukturiert. Das Büro, der Alltag, der Winter können kommen. Wir wissen die weite Welt zu geniessen, weil: Wir haben halt ein Reisefüdli. Aber: Bleiben mit einem Bein immer auf der Flucht. Vor dem Nebel. Vor der Eintönigkeit, dem Stress. Um Überstunden abzubauen. Einfach möglichst bald wieder rauskommen.
Einfach rauskommen, irgendwie. Nur eine leichte sprachliche Verschiebung und schon sieht alles anders aus. Um Reisen unter anderen Vorzeichen geht es bei «The Journey», dem gemeinsamen Projekt der Violinistin Gwendolyn Masin und des Schriftstellers Lukas Bärfuss, mit dem sie im November im Kurtheater gastieren. Die Künstler*innen durchstreifen «Osteuropa», bringen Migrationsgeschichten, innere und äussere Reisen zum Klingen, erzählen von Begegnungen, von den Hoffnungen der Menschen, von Liebe und Krieg. Unsere Autorin Kristin T. Schnider hat sich mit Lukas Bärfuss unterhalten und als Ergänzung zum oben beschriebenen Herbsttourismus, überhaupt zum Thema Reisen, ist diese Aussage besonders bemerkenswert: «Migration ist eine anthropologische Konstante – die Sesshaftigkeit ist später gekommen –, und sie wird nicht aus der Welt zu schaffen sein, indem man versucht, Menschen an der Migration zu hindern.»
Um die von Europa installierten Bewegungsbegrenzungen vielleicht am eigenen Leib mal ansatzweise nachzuvollziehen, könnte man sich vorstellen, es hiesse auf einmal: Sorry, deine Ferien sind gestrichen. Du bleibst, wo du bist. Es brauchte hierzulande auch schon weniger, um die Leute auf die Palme zu bringen.
Komischerweise sind Ferien ja oft ein Umkehrritual. Alltagserfahrungen einmal andersrum. Kleinfamilien verreisen im grossen Verbund. Angepasste suchen den Kontrollverlust auf Mallorca. Vom Chaos Getriebene die Ruhe eines Meditationszentrums. Nicht nur Rich Kids versuchen sich im Glamping (Glamour und Camping). Kleinverdiener*innen mieten sich Villen. Ländler*innen zieht es ans Meer, die Meeresanwohner*innen in die Berge. In diesen flüchtigen, zeitlich-räumlichen Gebilden, die sich dann öffnen, wenn wir aus dem Alltag ausbrechen, schimmert doch etwas Utopie oder Dystopie auf – halt das Gegenteil von dem, was ist. Idealerweise fühlt sich das dann gut an, oder irritierend, auf jeden Fall anders als sonst. Wer gleich vor der Haustür mal der «Normalität» entfliehen will, dem sei empfohlen, ins «hOtel anderswo» einzuchecken. Es befindet sich im Zimmermannhaus Brugg – der Kunstraum wurde vorübergehend «zweckentfremdet» zu einem Gasthaus der besonderen Art. Und eine kulturelle Insel auf Zeit ruft in Aarau: Das Rockwell-Gebäude wird zwischengenutzt. Wir wünschen schöne Alteritätserfahrungen allerseits – gerade, weil die Ferien vorbei sind.