Filmtipps für Mai 23

Von
Brigitte Siegrist

Knistern, knirschen, klingen – cineastische Neu- und Wiederentdeckungen für diesen Monat.

Es knistert unter dem Feigenbaum

«Under The Fig Trees» von Erige Sehiri, Tunesien 2022

Im Nordwesten Tunesiens bringen Fidé, Sana, Melek, Meriem und weitere auf einer Feigenplantage die Sommerernte ein. Im Schatten der Bäume unterhalten sie sich über die Liebe und «Mektoub», das Schicksal. Einige werben um Männer, andere streiten sich leichtfertig und wieder andere verhandeln die Situation an der Küste. Erige Sehiri zeigt mit jeder ihrer Figuren eine Facette der sich im Umbruch befindenden Gesellschaft, in der Werte und Traditionen aufeinanderprallen und das Patriarchat eine Bürde darstellt. Das «Huis-clos» unter freiem Himmel pulsiert vor Sinnlichkeit, strotz vor Realität und ist durchflutet von natürlichem, erhabenem Licht.

AB 4. MAI im Kino

Es knirscht im Schulhausgebälk

«Das Lehrerzimmer» von İlker Çatak, Deutschland, 2022

Voller Elan und mit einer Reihe schöner Theorien im Gepäck tritt Carla Nowak ihre Stelle als Mathematik und Sportlehrerin in einem Gymnasium an. Sie kann es gut mit den Schüler*innen und wehrt sich gegen die fragwürdigen Methoden der Null-Toleranz-Politik, zu denen ihre Lehrer-kolleg*innen greifen, als eine Reihe von Diebstählen den Schulalltag durcheinander wirbelt. Bald wirkt sie selbst als Detektivin, um vorschnellen Verdächtigungen Einhalt zu gebieten, und gerät etwas ungeschickt zwischen die Fronten von Lehrpersonal, Eltern und Schüler*innen. Im engen 4:3-Format gefilmt, nimmt auch die Kamera Carla von allen Seiten ins Visier und das Schuldrama strudelt atemlos einem Finale entgegen, das die Beteiligten am eigenen moralischen Anspruch scheitern lässt und eine zunehmend nervöse Gesellschaft zeigt.

AB 11. MAI im Kino

Es klingt und schwingt wie im Kino von 1923

«Our Hospitality» von und mit Buster Keaton, 1923

«Our Hospitality» heisst der zweite Spielfilm des genial verspielten Buster Keaton. Der Film feiert seinen 100.Geburtstag und ist damit genau so alt, wie das Kino Orient in Baden-Wettingen. Das will gefeiert werden, und so gibt’s die turbulente Geschichte um William McKay. Der letzte Spross einer ausgestorbenen Familie verliebt sich ahnungslos in die ebenfalls letzte Überlebende einer anderen Familie, die mit seiner Familie spinnefeind war. Und er unternimmt alles für seine Angebetete. Zum Einstimmen verwechseln Stan Laurel und Oliver Hardy mal kurz die Hosen und zeigen, welch atemberaubende Szenen das Kino der Zwanziger im Zwanzigsten sonst noch auf Lager hatten. Beide Filme sind in restaurierter Fassung und live am Piano begleitet durch André Desponds zu geniessen: Kino wie 1923.

AM 13. MAI im Kino Orient, Baden-Wettingen. Die Plätze auf dem Wolkenkratzer sind beschränkt.