«Freiwillige sind stets gesucht»

Von
Michael Hunziker

Samuel Steiner leitet Benevol Aargau. Der Soziologe ist seit jeher freiwillig engagiert, von der Pfadi über Kanal K bis zum Zivildienstverband.

Sich engagieren, etwas Sinnvolles tun: Der Juni steht im Zeichen der Freiwilligenarbeit. Wir haben uns mit Samuel Steiner, Geschäftsleiter von Benevol Aargau, über gesellschaftliche Bedeutung und Herausforderungen der Freiwilligenarbeit unterhalten.

Was ist das Ziel hinter dem Aktionsmonat zur Freiwilligenarbeit, den ihr im Juni organisiert?

Samuel Steiner: Wir wollen die Freiwilligenarbeit sichtbarmachen, die Vielfalt an möglichen Engagements aufzeigen und Hemmschwellen senken. Interessierte können sich informieren, Angebote ausprobieren und Veranstaltungen besuchen.

Gemäss einer Studie engagieren sich rund 40 Prozent der Schweizer Bevölkerung freiwillig. Wo besteht noch Wachstumspotential?

Bei dieser Zahl fällt die informelle Freiwilligenarbeit, sprich das Engagement im privaten Umfeld, stark ins Gewicht. Darunter verstehen wir etwa die Pflege von älteren Menschen, die nicht im selben Haushalt leben, oder Kinderbetreuung der Grosseltern. Die informelle ist rund doppelt so gross wie die formelle, die institutionelle Freiwilligenarbeit. Hier besteht noch ein grosses Potential. Institutionen im sozialen und kulturellen Bereich, aber auch Sportvereine suchen stets Freiwillige.

Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Freiwilligenarbeit?

Jugendliche, ältere Menschen, Migrant*innen profitieren stark vom unentgeltlichen Engagement. Volkswirtschaftlich gesehen werden in diesem Rahmen jährlich 6.5 Millionen Arbeitsstunden geleistet. Zum Vergleich: Das entspricht allen bezahlten Stunden im gesamten Gesundheitsbereich. Mit Blick auf die Gesellschaft trägt Freiwilligenarbeit zur Lebensqualität bei, sowohl bei den Empfänger*innen wie auch bei den Leistenden. Sie wirkt gegen die gesellschaftliche Fragmentierung und Vereinzelung.

Trotz der starken kulturellen Verankerung steht die Freiwilligenarbeit vor Herausforderungen. Was ist das Problem?

Das Engagement ist zwar stabil, verschiebt sich aber in den informellen Bereich. Das heisst, das Interesse an einem festen Engagement geht zurück. Im sozialen Bereich wie auch im Sport ist man aber gerade auf Verbindlichkeit und Regelmässigkeit angewiesen. Hier fehlen Leute.

Warum diese Verschiebung?

Wir beobachten in der Freizeitgestaltung eine Individualisierung und eine Flexibilisierung. Als Beispiel: An die Stelle des Sportvereins tritt das Fitnessstudio, das ohne Verbindlichkeiten genutzt und wofür bezahlt wird. Vereine sind bloss eine Option von vielen Freizeitangeboten. Es geht um die individuelle Entscheidung, wo wir unsere Zeit verbringen, ob konsumierend und online, oder mit und für andere Menschen.

Ihr fordert, dass Freiwilligenarbeit besser anerkannt wird. In welcher Form?

Es geht uns unter anderem um die Haltung der Arbeitgebenden. Globale Unternehmen begrüssen freiwillige Arbeit in der Freizeit ihrer Angestellten häufig weniger, aus der Befürchtung, dass die Performance im Unternehmen leidet. Wir möchten, dass ein Engagement als Pluspunkt in der Bewerbung angesehen wird und nicht als Nachteil. In einem freiwilligen Engagement lernt man Skills, die von wirtschaftlichem Nutzen sind. Verantwortung übernehmen, planen, kommunizieren. Deshalb stellen wir auch das "Dossier freiwillig engagiert" zur Verfügung, das wie ein Arbeitszeugnis funktioniert. Auch in der Integration spielt Freiwilligenarbeit eine grosse Rolle. Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger*innen können sich durch ihr Engagement weiterbilden, Migrant*innen lernen Deutsch und können Kontakte knüpfen. Dazu braucht es aber die Mithilfe der Sozialdienste und der RAVs, die ihren Leistungsbezüger*innen ein Engagement zeitlich ermöglichen sollen.

Der Aktionsmonat für Freiwilligenarbeit

Benevol, die Aargauer Fachstelle für Freiwilligenarbeit, organisiert mit seinen Mitgliederinstitutionen verschiedene Gelegenheiten, bei denen Interessierte einen Einblick in die Freiwilligenarbeit erhalten. Vom Rikschafahren mit Seniorinnen im Altersheim Rupperswil, über Telefondienst bei der Dargebotenen Hand, bis zur Velowerkstatt für und mit geflüchteten Menschen in Baden.

Das gesamte Angebot finden Sie hier: generation-f.ch/aargau