Tagebuch aus London von Fela Bellotto.
Die Tage vor meiner Abreise hatte ich bei meinen Eltern verbracht. Am Bahnhof Lenzburg trinke ich einen Abschiedskaffee und bestelle mir ein Bier über die Gasse. Die Gasse, die mich via Paris nach London führt.
Ich merke kaum, wie der Zug plötzlich durch den Ärmelkanal rast. Die vorbei schwimmenden Fische muss ich mir selbst ausmalen, denn entgegen meiner kindlichen Vorstellung ist der Tunnel nicht aus Glas.
Natürlich regnet es bei meiner Ankunft in London. Drei kaltweisse Neonröhren beleuchten die Londoner Atelierwohnung bis in jede Ecke. Teils feierlich, teils wehmütig trinke ich das Bier. Die ganzen nächsten Tage regnet es. Ein krasser Kontrast zur Wärme und Geborgenheit in der Zeit vor meiner Abreise. Es schleicht sich ein Gefühl von Einsamkeit ein. Manchmal hasse ich mich ein wenig dafür, mich selbst in diese Situation gebracht zu haben.
Eigentlich wollte ich in der ersten Woche erst einmal nur Freizeit geniessen. Aber ich mag mich nicht bremsen und fange direkt mit dem Projekt an. Es fällt mir erstaunlich leicht, mich zu konzentrieren. Es ist wohl genau diese Leere, die freien Raum schafft für meine Gedanken und Ideen.
Mein Ziel für die Zeit in London ist es, einen animierten Kurzfilm zu entwickeln. Konkret bedeutet das: Drehbuch schreiben, Design entwickeln, Storyboards und Moodbilder zeichnen. Die Filmidee habe ich schon seit Längerem. Hier finde ich endlich Zeit mich ganz darauf zu fokussieren. Keine Ablenkung, die mich hindert, Krisen durchzustehen. Die ersten Tage lese ich viel Fachliteratur. Die weisse Wand im Studio füllt sich allmählich mit farbigen Post-its.
Inzwischen bin ich seit einem Monat hier. Ich habe ein Gym-Abo, treffe fast täglich Freund*innen zum Kino, Bouldern und Feiern. Am Morgen bleibe ich meistens im Atelier. Ich schreibe und ordne Gedanken. Am Nachmittag gehe ich in die Stadt und lasse mich treiben. Dabei lache ich oft über mich selbst, mein eigenes Verhalten. Meine Fehltritte in dieser neuen Umgebung finde ich genauso inspirierend wie die Stadt selbst.
Fela Bellotto (*1989), ursprünglich aus Lenzburg, wohnt in Bern, ist Animationsfilmschaffende und Mitinhaberin YK Animation Studio. Sie hat in Luzern Animation studiert (Abschlussfilm: Hypertrain, 2016) und wird während 6 Monaten im Atelier des Aargauer Kuratoriums in London arbeiten.