Lernen mit dem Revolutionär Peter Ochs

Von
Beat von Wartburg

Der Tag der Republik erinnert an die Ursprünge der Demokratie. zvg

Aarau feiert im April den Tag der Republik. Ein Anlass, um über politische und demokratische Errungenschaften nachzudenken. Peter von Wartburg schreibt über Peter Ochs, eine zentrale Figur der Helvetik mit Strahlkraft ins Heute.

Wir erleben gerade eine Zeit, in der bisher sicher geglaubte Werte relativiert und leichtfertig zur Disposition gestellt werden. Mit populistischem Lärm wird die Unantastbarkeit der Menschrechte in Frage gestellt, humanitäre und demokratische Rechte ebenso. Unter dem Vorwand der Stärkung der Meinungsfreiheit wird gerade diese eingeschränkt, überlagert durch Fake News, Lügen und gezielte Desinformation. Opfer von Gewalttaten werden verhöhnt, das Völkerrecht mit Füssen getreten. Es weht ein rauer Wind. Und viele mögen schon gar nicht mehr Nachrichten hören, aus Angst davor, dass weitere Tabus gebrochen werden. Dabei geht es um nicht weniger als um emanzipatorische Errungenschaften, um aufklärerische Werte und Rechtsvorstellungen, die in den vergangenen zwei Jahrhunderten erkämpft werden mussten.

Gerade deshalb ist es richtig und wichtig, dass es in Aarau einen Tag der Republik gibt, der uns an die Ursprünge der Gleichberechtigung, Demokratie und Menschenrechte in der Schweiz erinnert. Es lohnt sich, und ist vielleicht nötiger denn je, sich mit der Helvetik auseinanderzusetzen. Wer sich mit der Helvetik beschäftigt, der kommt an einem ihrer wichtigsten Protagonisten, dem Aufklärer, Staatsmann und Autor Peter Ochs nicht vorbei. Er hat eine Verfassung für die Schweiz geschrieben, die die wesentlichen Menschenrechte festhält, er hat im Januar 1798 als Oberstzunftmeister die Revolution in Basel initiiert und unblutig vorangetrieben und er war es, der am 12. April 1798 als Senatspräsident am Fenster des Aarauer Rathauses die Helvetische Republik proklamierte.

Zwar wurde Peter Ochs wenig später Mitglied des Direktoriums, allerdings war ihm ebenso wenig Glück beschieden wie dem ganzen Experiment der Helvetik. Nach nur einem Jahr wurde Ochs gestürzt, und weitere Staatsstreiche sowie ein Bürgerkrieg besiegelten das Ende der Helvetik. Bonaparte intervenierte und verpasste der Schweiz 1803 eine neue föderalistische Verfassung.

Peter Ochs war aber nicht nur ein «Homme Politique», sondern auch ein begnadeter Geschichtsschreiber und Literat. Schon in seiner Jugend schrieb er eine kleine Oper, zwei Tragödien und verfasste Gelegenheitsgedichte. Mit dem Eintritt in die Politik rückte die literarische Aktivität in den Hintergrund. Erst nach der Helvetik erinnerte er sich wieder seiner literarischen Neigungen und verfasste ein sogenanntes «Nationaldrama» mit dem Titel «Zeltner ou la Prise de Soleure». 1807 publizierte er die Tragödie «L’Incas d’Otahis», eine Südseeutopie zur religiösen Toleranz, und 1808 folgten die Oper «Prométhée», ein Lob auf den Voluntarismus eines Bonaparte und eines Zar Alexander, sowie «L’Homme à l’heure», eine Volkskomödie über die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen kurz vor dem Sturz des Ancien Régime in Basel. Am 12. April, um 18.30 Uhr, wird Peter Ochs als Autor im Theater Tuchlaube vorgestellt. Dazu gibt es Lesungen aus dem Stück «Zeltner oder die Einnahme von Solothurn». Das Nationaldrama zeigt die Verfolgung und Einkerkerung der solothurnischen Revolutionäre, der «Patrioten», und deren Befreiung durch die französischen Truppen. Das Stück ist zwar Revolutionstheater, es ist aber kein agitatorisches, vielmehr ein legitimatorisches Stück, das einem breiten Publikum die Notwendigkeit der Revolution von 1798 erklären, die Menschenrechte propagieren und die Helvetik legitimeren soll. Zugleich ist das Drama eine Verteidigungsschrift, in der Ochs sein eigenes Tun, seine revolutionären Intentionen und vor allem seine Helvetische Verfassung den Zeitgenossen und der Nachwelt gegenüber rechtfertigt. Authentisch beschreibt er zum einen den Diskurs der Patrioten, ihre Kritik am Ancien Régime, das pathetische Revolutionscredo, die Beschwörung aufklärerischer Zukunftsmodelle und deren Verklärung. Zum andern karikiert er die Machterhaltungsstrategie der Altgesinnten. Mit der Wahl des Stoffes und mit seinen Dialogen verleiht Peter Ochs seinem Stück einen dokumentarischen Charakter: Es soll Geschichte schreiben.

FEIERLICHE ERINNERUNGEN AN DIE REVOLUTION

Führungen, Podien, Szenische Lesungen, Reden, Comedy und Party: So wird die Republik gefeiert und an ihre Ideale erinnert. Ein dichtes Programm wartet auf die Besuchenden. Ein paar Highlights: In «Helvetiopolis» führt Claude Longchamp durch Aarau auf den Spuren der Helvetischen Republik, Daniel Kübler präsentiert das Forschungsprojekt Bevölkerungsrat (Stichwort Losverfahren), Beat von Wartburg hält einen Vortrag zu Peter Ochs, dazu gibt es eine szenische Lesung aus dessen Werk, am Abend folgen Reden zur Republik von Stadträtin Silvia Dell Aquila und der Kabarettistin Rebekka Lindauer, bevor im Flösserplatz das Tanzbein geschwungen wird. mh

AARAU Rathaus, Sa, 12. April; Programm: tagderrepublik.ch

Gelb, rot, grün: Der friedliche Revolutionär und erster Senatspräsident Peter Ochs in den Farben der Helvetischen Republik. zvg