Editorial

Lichtbilder aus der Zukunft

Von
Michael Hunziker

Das Sommerfeeling – dieses grosse, unbestimmte, offene Gefühl, diese Ahnung von Freiheit – ist mit dem allmählich früheren Eindunkeln etwas am Ausfaden. Natürlich nicht nur wegen dem Lauf der Sonne. Hinzu kommen überfüllte Maileingänge, der Horror des überstrukturierten Alltags, das Trägheitsprinzip, die Projektmeilensteine, die Deadlines. Alles wieder da, beim Alten, wie wir es verlassen haben für eine kurze, utopische Auszeit, die jetzt bereits zu so etwas wie einer Fiktion geworden ist. Jedenfalls gilt es jetzt, dieses fragile Sommergefühl zu konservieren. Schliesslich handelt es sich dabei um Schubkraft, mit der vielleicht das Hergebrachte etwas umgepflügt werden kann. Sprechenderweise fährt nach der Sommerpause auch das Kulturangebot wieder hoch, damit wir uns eben nicht gänzlich der grauen Materie ausliefern.

Wir haben hier in diesem Heft ein Bündel solcher Konservierungs- und Auffrischungsstrategien zusammengetragen. Allen voran flimmern uns bereits heute aus der nahen Zukunft die Lichtbilder des Fantoche entgegen. Mit seinem Schwerpunktthema «All we need is Love», das auch gerne als universelle Formel in unsere gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Debatten und Handlungen eingehen mag, verlängert das Animationsfilmfestival den Sommer definitiv um ein paar Tage und hält unsere utopischen Träume nach einer offenen, egalitären, etwas anarchistischen Welt wach.

Eine freie, ja liminale Sphäre, wo sich mensch erholen und neu erfinden kann, entsteht am ehesten in nichtkommerziellen Räumen, wo am Eingang kein fester Eintritt verlangt wird, wo das Coca-Cola nicht sieben Franken kostet, wo die Playlist konsensuell ausgearbeitet wird, wo partizipativ Veranstaltungen geplant werden und die Miete kein Joch für die Kulturaktivist*innen darstellt. Städte verstehen allmählich, dass solche Inseln mit ihren kreativen Impulsen in die Stadtund Quartierentwicklung hineinwirken. Dort begegnen sich Menschen aus allen demografischen Schichten, es entsteht Lebensqualität und Identität – was gerade für ein in kurzer Zeit entstandenes Quartier, wie etwa das Torfeld Süd in Aarau, wichtig wäre. Dort steht das Kubo, ein aktuelles und von der lokalen Politik und Verwaltung viel besungenes Beispiel für selbstverwalteten Freiraum. Leider ist dieser Freiraum wohl bereits nach knapp einem Jahr Betrieb Geschichte. Der Vertrag für die Zwischennutzung ist ausgelaufen, eine Verlängerung scheint unmöglich – das politische Vermögen hört wiedermal dort auf, wo es auf private Immobilienkonzerne mit ihren Gentrifizierungs- und Wertschöpfungsideen trifft. Die Aktivist*innen erzählen von den finanziellen und bürokratischen Hürden, die sie während der kurzen Geschichte ihres Freiraums nehmen mussten.Die Immobilienfirma hat ihnen netterweise schon mal die Heizung abgestellt. Die Aktivist*innen lassen sich nicht ermüden und suchen nach einem neuen Standort. Anderer Ort, gleiche Hürden: Vor 13 Jahren haben sich in Baden engagierte Menschen auch einen Freiraum erkämpft. Aus der Zwischennutzung wurde das nachhaltig gesicherte Royal. Diesen Monat wird der Anerkennungspreis des Aargauer Kuratoriums gefeiert.

Wir heissen Sie, liebe Leser*innen, herzlich willkommen zurück im Kulturkanton ihres Vertrauens, wo es vor der Haustür immer etwas Neues unter der Sonne zu entdecken gibt.