Editorial

Listige Listen

Mindestens in einem Punkt dürfte es Ihnen wohl ähnlich gehen wie den rund 8 Milliarden anderen Menschen auf diesem ziemlich einmaligen Planeten, die weder Hofstaat noch persönliche Assistenzen haben, um Yachten zu managen, Meetings zu orchestrieren, Vermögen zu verwalten. – Und der wäre? Sie sind nicht superreich, schon klar. Das ist es nicht. Der Punkt ist: Sie, wir, ich, werden alle früher oder später damit anfangen, Listen zu schreiben, damit im komplexen, widersprüchlichen Alltag nichts untergeht.

Wir sind die Listengesellschaft. Damit die Kindergeburtstage gefeiert werden, damit wir nicht vergessen, andere Menschen wissen zu lassen, dass wir an sie denken (Konzerteinladung an S.), damit Zahnärzt*innen etwas zu tun haben, damit auch morgen noch etwas zu erledigen ist, damit der Stimmzettel die Urne findet, damit wir uns erinnern, was wir noch alles gesehen, gehört, erlebt haben möchten, usw., usf. Die richtige Liste im richtigen Moment zu haben, ist manchmal besser, als zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein (was ja bloss Zufall ist).

Die Beliebtheit, ja um nicht zu sagen, die Praktikabilität von Listen ist das Kapital vom AAKU. Alles, was Sie auf unseren Seiten lesen, ist guter Stoff für Ihre persönlichen Listen. Ausnahmslos. Hier finden Sie Einladungen ins weite analoge Feld. Keine Sorge, in diesem Feld gibt es auch Töne, Lichter, Bewegtbild und schnelle Witze, es ist ganz ähnlich wie online. On top kommt einfach noch der Aspekt der Gemeinschaft hinzu. Mit anderen Menschen für einen Moment zusammenkommen und etwas Spannendes erleben – Theater, Konzert, Ausstellung. Leben. Kultur. You name it.

Was wie eine Selbstverständlichkeit tönt, ist aber keine. Viele Kulturhäuser haben Mühe, ihr Publikum konstant bei Laune zu halten. Peter Kelting, der abtretende Künstlerische Leiter der Bühne Aarau, hat im Interview ein paar Wünsche geäussert, die sinngemäss auch für sämtliche Kulturhäuser des Aargaus gelten mögen: Er wünscht der Bühne ein Publikum mit einer Grundneugierde, ein Publikum, das Lust hat, sich überraschen zu lassen (S.24). Es ist eine implizite Aufforderung, die Komfortzone der Streamingbibliotheken zu verlassen, den Endless-Scroll auf dem Gerät unseres Vertrauens zu einem Ende zu führen und einfach mal etwas zu riskieren. Und wenn Sie sich an einer öffentlichen Veranstaltung beteiligen (auch nur durch Ihre Anwesenheit, selbst wenn Sie schlafen im Publikum), erweisen Sie der Gesellschaft sogar einen Dienst. Denn es gibt einen schönen Zusammenhang zwischen freier Kulturszene und funktionierender Zivilgesellschaft. Er wird meistens dann sichtbar, wenn es auf der einen oder anderen Seite zu harzen beginnt.

Wenn Sie etwa denken, dass das mit der Einmaligkeit des Planeten einfach eine ideologische Behauptung war, oder wenn Sie sich fragen, wer zum Teufel die Person S. ist, oder wenn Sie gerade rechnen, welchem der beiden oben skizzierten Gesellschaftssegmenten Sie angehören, dann ist gemäss gewisser Listen ein Besuch einer kulturellen Veranstaltung vor ihrer Haustür unmittelbar angezeigt. Wie ein solches Unternehmen aussehen könnte, erfahren Sie hier bei uns.

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