Bühne

Lob der Zärtlichkeit

Von
Louis Rüegger

Sich tief in die Arme nehmen, für die Fussballprofis nicht nur eine Siegesgeste.

Treffen sich zwei Fussballprofis und verlieben sich: Das Drama «zwei herren von real madrid» spielt in einer sanftmütigen Fussballwelt.

Angriff, Verteidigung, Zweikampf, Sieg und Niederlage – das Vokabular, mit dem der Fussball sprachlich gefasst wird, ist durchdrungen von martialischen Elementen. Damit in Einklang stehend sind diesem kulturellen Massenphänomen archaisch-rückständische Vorstellungen von Heldentum und Männlichkeit eingeschrieben. Feinfühligkeit und Zärtlichkeit sind hier eher Verdrängungsmasse als Part of the Game.

Das preisgekrönte Stück «zwei herren von real madrid» des deutschen Dramatikers Leo Meier formuliert eine Antithese zur virilitätsfetischisierenden Fussballwelt. Meier erzählt die fiktive Geschichte zweier Spieler des grossen Real Madrid, die sich eines Nachmittags zufällig im Wald begegnen. Ein Mittelfeldspieler und ein Stürmer. Es entsteht ein tiefgründiges Gespräch, die beiden nähern sich vorsichtig an und der eine lädt den anderen zur Weihnachtsfeier ins Elternhaus ein. Unglücklicherweise stirbt die Mutter während des Fests an einem allergischen Schock. Tragisch. 

Doch Trauer und Glückseligkeit sind manchmal so nah beieinander, dass sie fast gleichzeitig stattfinden: An der Beerdigung kommt es zum ersten Kuss zwischen den beiden Fussballprofis. Dumm nur, dass der Kuss gefilmt wird und viral geht. Die anschliessende Pressekonferenz wird zur Tour de Force für die beiden Profis, und dann werden auch noch Transfergerüchte um den Stürmer bekannt. Ein Wechsel zu Paris St. Germain steht im Raum und somit die Gefahr, dass die junge Liebe der beiden Fussballer bereits wieder endet. 

Leo Meier hat ein absurd-komisches Stück geschrieben, dessen Figuren in ausgesprochen höflicher und zurückhaltender Sprache miteinander umgehen und so die martialische Fussballwelt in zarter Sanftmütigkeit aufgehen lassen. Das Theater Marie bringt zusammen mit Konzert und Theater St. Gallen die «zwei herren von real madrid» in Baden, Aarau und St. Gallen auf die Bühne. 

Die Inszenierung von Regisseur Manuel Bürgin nimmt den im Stück gelegten Faden der Zärtlichkeit auf und spinnt ihn weiter. Das Gerangel im Strafraum vor dem Eckball erscheint auf der Bühne in Slow Motion plötzlich als filigraner Tanz, als einstudierte Choreografie, die den antagonistischen Zweikampf um den Ball zum virtuosen «Pas de deux» stilisiert. Fangesänge verzerren sich zu einer chorischen Version von «Killing me softly». Sanftes Töten – das Martialische wird vom Zärtlichen eingefangen. 

Der legendäre Fallrückzieher von Christiano Ronaldo wird mit einer Darstellung des antiken Helden Phaethon verglichen. Ronaldo scheint die Schwerkraft ausgehebelt zu haben. Der Fussballstar überwindet die Naturgesetze, wird übermenschlich. Doch wer den Phaethonmythos kennt, weiss, dass eben jener Anspruch auf Gottähnlichkeit dem Helden zum Verhängnis wird. Die hier betriebene Historisierung des Phänomens Fussball durch seine Verortung in der Tradition der antiken Mythen bedeutet letztlich seine Dekonstruktion. Der Mythos Fussball wird vom martialischen Heldenepos in ein feinfühliges Lob der Zärtlichkeit überführt.

Zwei Herren von Real Madrid

Donnerstag, 24. April 2025

19:30 Uhr

Freitag, 25. April 2025

19:30 Uhr

Zwei Herren von Real Madrid

Donnerstag, 01. Mai 2025

20:00 – 21:30 Uhr
Alte Reithalle
Aarau

Freitag, 02. Mai 2025

20:00 – 21:30 Uhr
Alte Reithalle
Aarau