Tagebuch aus Nairs von Fai Baba.
Als ich mich beim Aargauer Kuratorium für das Atelierstipendium in Nairs bei Scuol beworben hatte, war mir nicht ganz klar, dass der Aufenthalt fünf sehr lange Monate sein würde. Denn die Zeit hier steht still. Kurz vor der Ankunft hier im äussersten Zipfel der Schweiz habe ich die Aufnahmen zu meinem achten Studioalbum abgeschlossen. Dabei handelt es sich um eine enge Zusammenarbeit mit dem Streichquartett Amour Sur Mars. Das Album wird 2024 auf dem Basler Label «A Tree In A Field Records» erscheinen. So kam ich also hierher mit einer fertigen LP im Gepäck. Zudem erscheint parallel zu meinem Aufenthalt ein Instrumentalalbum mit dem Titel der gleichnamigen Band Löwenzahnhonig, einer Kollaboration mit den Musikern Long Tall Jefferson und Paul Märki.
Was nun anstellen mit dieser endlosen Zeit im Unterengadin? Inmitten von Bergen, Mineralquellen und verlassenen Hotels aus der Belle Époque. Die Leute fragen mich immer wieder, wie ich meine Lieder schreibe. Das weiss ich selbst nicht so genau. Wenn ein Lied nach manchmal jahrelanger Arbeit fertig ist und ich es den Leuten vorspielen kann, dann scheint es mir, als sei es immer schon dagewesen. Und alle die zuvor geschehenen Ereignisse in meinem Leben haben dann dazu geführt, dass dieses Lied dann zu hören ist. Klingt philosophisch. Ist es aber nicht. Für mich ist es das einfachste der Welt. Obwohl ich viel oder alles dafür tun muss. Dazu gehört auch mein langer Aufenthalt hier in Nairs.
Mein Atelier ist mit 80 Quadratmetern ein echter Palast. Sehr hell (obwohl Nair ja auf Rätroromanisch «schwarz» bedeutet). Mit zwei Grand Pianos drin. Es liegt direkt am Inn und ist umrundet von Lärchenwäldern. Die Gruppe von Artists, welche im selben Haus residieren, ist klein und es kommt zu spannenden Begegnungen und Freundschaften. Wenn mir manchmal die Decke auf den Kopf fällt, dann nehme ich mein Gravel-Bike und mache eine Tour oder gehe schwimmen im Moorsee Lai Nair oder spaziere zur Hexenplatte, einer magischen Steinplatte mit heilender Schwingung. Ich bin sehr dankbar für die Zeit hier und habe auch schon wieder neue Lieder im Gepäck für das nächste Album.
Zur Person
Fabian Sigmund aka Fai Baba (*1985 in Zürich) tourte zehn Jahre durch Europa, verbrachte einige Zeit in Ashrams in Indien, singt auf Züri-Deutsch und lebt derzeit auf einem Bauernhof in Oftringen.