Tagebuch aus London von Teresa Hackel
Düt dit düiii – dit! Toll, die U-Bahn tönt wie Musik, freue ich mich. Dann entdecke ich den Querflötenspieler. Hm, die Flöte klingt allerdings mehr nach quietschender U-Bahn, denke ich jetzt. Die Stadt verändert meine Wahrnehmung, ich höre überall Klänge, überlege, welche Tube- Linie wohl die lautesten Bahnen fährt und freue mich, wenn eine defekte Ansage einen Loop spielt.
Doch ich gehe auch in echte, «absichtliche» Konzerte mit experimenteller Musik. Dort stelle ich zu meiner Freude fest, dass es sehr viele Menschen gibt, die sich genau dafür interessieren. Manchmal sind die Performances sogar schon ausgebucht oder nur noch «Mitgliedern» vorbehalten. Es heisst übrigens, London sei die Stadt der Mitgliedschaften.
Ich bin jetzt auch Mitglied, mehrfach sogar: bei Konzertorten, aber auch in den beiden Orchestern, die sich mit freier Improvisation beschäftigen. Ich treffe dort auf inspirierende Musiker*innen, die aus ganz verschiedenen Bereichen kommen, wie zum Beispiel aus der Rockmusik, dem Jazz oder gar von der Bildenden Kunst. Dank des Aargauer Kuratoriums habe ich noch einige weitere Monate Zeit für diese spannenden Projekte; neue zeichnen sich schon am Horizont ab. Bis Anfang September befindet sich die Stadt zwar noch in der Sommerpause, doch ich kann das Wort Pause irgendwie nicht mit London in Verbindung setzen. Danach beginnt neben dem neuen Schuljahr auch das akademische Jahr und ich werde die Veranstaltungskalender der verschiedenen Colleges und Akademien für Kunst / Musik sorgfältig studieren und mich dann sicher das ein oder andere Mal zwischen gleichzeitig stattfindenden Konzerten entscheiden müssen. Es gibt natürlich auch jetzt schon Überschneidungen von interessanten Events. Wenn man mich fragen würde, ich wüsste, woran es liegt: London hat zwar knapp 10 Millionen Einwohner*innen, aber keinen einheitlichen Konzertkalender! Es läuft einfach zu viel, als dass es fein säuberlich sortiert in ein Magazin passen würde. So suche ich mir die interessanten Orte selbst zusammen, das tönt zwar gefährlich nach eigener Blase, aber diese Blase zerplatzt spätestens in der Tube, wo ich dicht an dicht mit Anzugträgern und Partygängerinnen sitze, falls ich nicht gerade an einem der Kanäle entlangfahre oder ein Bad in der grünen Grütze nehme ...
ZUR PERSON
Teresa Hackel, 1981 in Berlin geboren, studierte Blockflöte in Berlin und Bern. Seit 2012 wohnt sie im Aargau, unterrichtet in Aarau (KSAB) und an den Kantonsschulen Baden und Wettingen. Ihre künstlerischen Schwerpunkte sind freie Improvisation sowie die Interpretation von Kompositionen des 20. / 21. Jahrhunderts.