Bühne

Saufrech, selbstbewusst, anarchistisch

Von
Denise Schmid

Gardi Hutter in Gaia Gaudi

Alle kennen sie, die Clownin Hanna. Sie hat mit ihrer subversiven, direkten Art sämtliche Institutionen durchlaufen. Von der Waschküche bis ins eidgenössische Parlament. Über 40 Jahre hat sie mit ihrem Humor international für Emanzipation und gegen das Spiessbürgertum gekämpft. Nun macht sich Gardi Hutter mit Hanna auf Abschiedstournee. Denise Schmid schreibt über das bewegte Leben der Künstlerin und über die Entstehungsgeschichte der Figur.

«Sie haben Talent, aber Sie sind klein, Sie werden nie eine Hauptrolle spielen.» Dieser Satz stand am Anfang von Gardi Hutters Bühnenkarriere. Trotz Zweifel an ihrer Eignung wurde die 21-Jährige an der Schauspiel-Akademie Zürich aufgenommen. In der Ausbildung, wie im Theater, herrschte damals das Credo: «Frauen sind tragisch, Männer sind komisch.» Das war Mitte der 1970er-Jahre.

Gardi Hutter hat alle eines Besseren belehrt. 45 Jahre später ist sie eine der erfolgreichsten Künstlerinnen der Schweiz. Ein Ausnahmetalent, das als komische Frau, als Clownerin – wie sie sich selbst bezeichnet – die Bühnen der Welt erobert hat. Als sie erzählt, dass man ihr damals die Schauspielkarriere nicht zugetraut habe, steht sie auf der Bühne der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) am Mikrofon und lacht. Sie trägt ihrer ehemaligen Schule den Fauxpas nicht nach. Viel habe sie hier gelernt, und sie sei dankbar, fügt sie an. Es ist der 7. November 2019, und eben hat Gardi Hutter die Auszeichnung «Honorary Companion» der ZHdK vor einem vollen Saal unter langem und warmem Applaus entgegengenommen.

Man kennt sie als Hanna, die das Publikum als Wäscherin, Schneiderin oder Souffleuse zum Lachen bringt. Eine Clownin mit verfilztem Haar, roter Nase, dickem Bauch, in braunem Kleid und beiger Schürze. Darunter eine geflickte Hose, Stiefelchen. Schnell sind ihre Bewegungen, sie kratzt sich zwischendurch am Po, springt in die Luft, brabbelt in einer universell verständlichen Lautsprache, ist immer für die nächste Überraschung gut. So hat sie Karriere gemacht.

Gardi Hutter als Hanna, die Schneiderin.

Ikonischer Auftritt im Parlament

1981 stand Gardi Hutter das erste Mal als Hanna auf der Bühne, in 34 Ländern ist sie seither mit ihrer weiblichen Clownfigur gewesen und fast 4000 Mal aufgetreten. «Meine Damen, mir scheint, Sie haben noch nie einen Besen in der Hand gehabt!» Ikonisch ihr Auftritt im Schweizer Nationalratssaal 1991, als sie die Politikerinnen in ihren Kostümen und adretten Kurzhaarfrisuren tüchtig fegen liess. Sie weiss, wie man Macht demontiert, auch weibliche, die es mittlerweile gibt. Und sie weiss, wie man Stereotype ins Lächerliche zieht und wie nah das Komische und das Tragische beieinanderliegen können. Im Nationalratssaal befreite sie sich aus einem Wäschebottich, hängte Socken an die Leine, und als sie am Ende eine Schweizer Fahne entrollte, auf der das Kreuz zum feministischen Zeichen umgedeutet war, da kannte der Jubel keine Grenzen. Gardi Hutter ist nicht nur die lustigste Schweizerin, sie ist auch die witzigste Feministin. Klein und quirlig ist sie wie eh und je. Auch heute – man sieht ihr die 71 Jahre nicht an. Sie trägt das dunkelblonde Haar lang und offen, die einzelnen grauen Haare verlieren sich darin. Ihre Stimme klingt tief und unverwechselbar.

Ich höre ihr gerne zu, und sie hat Lust, ihr Leben zu erzählen, aber sie fürchtet sich auch ein wenig davor. Auch vor den absehbaren Reaktionen der Kolleginnen und Kollegen. «‹Noch eine Schauspielerbiografie›, werden sie stöhnen», meint sie, als wir das erste Interview für mein Biografievorhaben in meinem Büro in Zürich führen. Das lasse ich nicht gelten. Sie ist nicht irgendeine Schauspielerin, sie ist ein weiblicher Clown, eine Pionierin, ein Vorbild. Ich habe keinen Zweifel, dass sie Interessantes zu berichten hat. Wir werden Gespräche führen, ich darf in ihrem Archiv stöbern, mit Weggefährten sprechen. Sie kann den Text korrigieren, muss aber damit leben, wie ich als Autorin auf ihr Leben schauen, wie es gewichten und erzählen werde. Sie lässt sich darauf ein. Im Januar 2020 beginnen wir, miteinander zu sprechen, zu mailen und zu telefonieren. Das Manuskript soll bis Anfang November stehen, damit es im Frühjahr 2021, zum Vierzig-Jahr Bühnenjubiläum ihrer Figur Hanna, bereit ist. Die Corona-Pandemie wird zur ungeplanten Unterstützung für das Buchprojekt. Alle Vorstellungen fallen ab März 2020 aus.

Zu Beginn weiss ich wenig über sie, nicht viel mehr als: katholische Kindheit im Rheintal, Rebellion, Schauspielausbildung, erste Schritte im Beruf in Italien, Entwicklung der weiblichen Clownfigur, ein Mann, zwei Kinder, eine Scheidung, Wohnsitz im Tessin, grosser Erfolg im In- und Ausland. Ein Leben in Stichworten, aber ich bin neugierig darauf, die Persönlichkeit dahinter kennenzulernen. Mit dem Prozess der Arbeit entdecke ich die Ursprünge und Konturen ihres Lebenslaufs. Ihre Rebellion, ihren Feminismus, ihre soziale Einstellung, ihr Umweltbewusstsein – all das geht auf den Geist der Achtundsechziger zurück. Sie war während ihrer Schulzeit in St. Gallen selbst aktiv in einer politischen Gruppierung. Sie testete alle Grenzen aus, vom LSD-Trip bis zur freien Liebe. Gardi Hutter hat viele Rollen gespielt, nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Leben. Sie war katholische Internatsschülerin, politische Linksaktivistin, Hippiemädchen, eine Zweifelnde, Suchende und irgendwann eine erfolgreiche Künstlerin, Unternehmerin, Mutter und unabhängige Frau. Sie wollte kein Durchschnittsleben führen, und sie wollte Erfolg haben – beides ist ihr gelungen. Dass das nicht nur einfach war, dass dazu Jahre der Selbstzweifel, Verluste und Niederlagen gehörten, davon soll auch erzählt werden. «Ich will keine beschönigende Biografie», sagte sie im ersten Gespräch. Daran hat sie sich, mutig und offen, wie sie ist, beim Erzählen ihres Lebens gehalten.

Bevor Gardi Hutter ihre Ausbildung beginnt, spielt sie beim «Bananen- Theater» einen Clown. Die Strassenaufführungen machen auf die Lage der Bananenbauern in Nicaragua aufmerksam.

Antiheldin erobert die Herzen

Gardi Hutters erstes Solo «Giovanna d’ArPpo» wird rechtzeitig fertig, um am 22. Mai 1981 beim Frühlingsfest «Ben venga maggio » aufgeführt zu werden. Dort versammeln sich zum ersten Mal Zuschauer, um die unförmige kleine Wäscherin mit dem verfilzten Haar zu sehen. Eine Clownin, die mit dem Schwert gegen den Wäschehaufen kämpft und am Ende als strahlende Heldin im Waschtrog untergeht. Die Reaktionen des Publikums sind eindeutig: Sie sind begeistert von dieser Möchtegernheldin, der unverblümt naiven Figur, ihrem Selbstbewusstsein und bösen Witz.

Einer Clownin, die zwar Probleme in einzelnen Situationen hat, aber keinerlei Selbstzweifel: «Sie ist nicht dick, der Spiegel ist zu klein!», sagt Gardi Hutter. Der Jubel bei diesem ersten Auftritt am Frühlingsfest ist gross, auch Hannas Grammelot kommt wunderbar an. Die Brabbelsprache, mit der sie spricht, ist ein Zufallsprodukt. Das Stück hat keinen Text, aber um die Emotionen zu klären und auch um sich zu erinnern, hat Gardi sich angewöhnt, die inneren Monologe auf Schweizerdeutsch leise mitzusprechen. So macht sie es in den Proben und behält es bei, als sie eine Probevorstellung für die Direktoren des Centro di Ricerca per il Teatro gibt, die entscheiden, ob sie am Festival spielen darf. Sie finden die unverständlichen Brabbeleien sehr lustig. Gardi bemerkt das Potenzial und baut deshalb das Brabbeln aus, bis es schliesslich zu ihrem Markenzeichen wird. Eine Universalsprache, die nichts sagt, aber alles erzählt und von allen verstanden wird.

Nach der ersten Open-Air-Aufführung realisiert Gardi Hutter: Sie hat es geschafft. Und dieser Eindruck wird sofort bestätigt, denn drei Festivaldirektoren, die vor Ort sind, engagieren sie auf der Stelle. Auf die Frage, was denn die Aufführung koste, ist sie unvorbereitet. Sie sagt spontan 300 000 Lire, damals etwa 500 Franken. Den zufriedenen Gesichtern merkt sie an, dass das wohl zu wenig war, also schiebt sie schnell nach: plus 50 000 Lire Spesen.

Auch wenn es im Stück nicht viele Utensilien gibt – um auf Tournee zu gehen, braucht sie einen Wagen mit verlängertem Kofferraum. Der Zufall will es, dass Bruder Erwins Frau ihren alten VW Golf verkaufen will. Gardi hat zwar nicht genügend Geld für den Kauf, übernimmt ihn aber und zahlt ihn in Raten ab. «Er war knallgelb und hässlich, aber sehr effizient und praktisch. Damit bin ich auf meine erste Tournee.»

«Die tapfere Hanna» findet schnell ein begeistertes Publikum. Zwischen Juni und September 1981 tritt sie in Vercelli am «Festival in piazza» auf, anschliessend drei Mal am «Festival Asti Teatro», dann an weiteren Festivals in Erbusco, Viggiù und Settimo Torinese.

Mit «Giovanna d’ArPpo» und «Pluto» ist Gardi Hutter 1981 gut ausgelastet. Sie reist mit ihrem Solo auch schon bald das erste Mal in die Schweiz. Im Jahr zuvor ist das Zürcher Theater Spektakel gegründet worden, ein internationales Treffen freier Theatergruppen. Auf der Landiwiese am Zürichsee treten Gruppen in Zelten oder Schaubuden auf. Draussen gibt es zudem Aufführungen von Strassenkünstlern, und überall laden Restaurants und Bars zum Verweilen ein. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre am Seeufer. Gardi fragt an, ob sie draussen spielen könne, und sie darf. Anfang Juli 1981 hat Hanna ihr Debüt in Zürich auf der Landiwiese. Und gleich auch die Dernière. Als sie nämlich im Jahr darauf gerne Teil des offiziellen Programms würde, winkt man ab: Sie sei ja schon in der vorigen Ausgabe dabei gewesen. Gardi steht in einer Telefonkabine, als sie die Absage erhält, und heult vor Wut. Die Abweisung und vor allem die Begründung des innovativen Zürcher Festivals treffen sie hart.

Die Erfahrung mit dem Theater Spektakel ist auch noch aus einem anderen Grund durchzogen. Die ersten beiden Aufführungen finden erfolgreich draussen, bei gutem Wetter, statt und ziehen viele Leute an, alles läuft bestens. Doch am dritten Tag regnet es in Strömen, und Gardi muss die Aufführung in ein Essenszelt verlegen. Es ist lärmig, die Leute reden und klappern mit dem Geschirr, sind zu wenig in Stimmung, um zuzuschauen.

Die Aufführung sei ein Desaster gewesen, erzählt Gardi Hutter. Ausgerechnet an diesem Abend ist die Künstleragentin Marilies Düsterhaus zusammen mit einem französischen Kollegen vor Ort, und die beiden erleben den Reinfall. Gardi Hutter hatte kurz zuvor Kontakt mit ihr aufgenommen in der Hoffnung, dass sie vielleicht ihre Agentin werden könnte. Wenig verwunderlich, dass diese erst einmal kein Interesse zeigt.

Mit dem Berühmtwerden geht es nicht von heute auf morgen. In den ersten Jahren tritt Gardi Hutter erst einmal auf den vielen Kleinbühnen auf, die damals überall aus dem Boden schiessen. «Da in den 1980er-Jahren ein interessiertes und neugieriges Publikum grosse Lust auf engagiertes Theater hatte, entstanden damals interessante Bühnen an vielfältigen Orten: in Kellern, ehemaligen Schlachthäusern, Fabriken, Scheunen, Kirchen auf Dachböden, in Garagen, Restaurants, Tanzsälen, alten Kinos, Schulaulas, Turnhallen und auch in Parks und Wäldern. Die ersten paar Jahre bin ich durch die Kleintheater getingelt. Das war das Beste, was mir passieren konnte, denn ich konnte üben, üben, üben. So habe ich innerliche Dichte bekommen und über viele Erfahrungen mit Pannen und Problemen mein Metier gelernt. Heute müssen junge Künstlerinnen und Künstler, bevor sie überhaupt auf eine Bühne kommen, bereits ein Video liefern. Der Druck ist enorm, weil sie sofort auf allen sozialen Kanälen präsent sein und schon perfekt daherkommen müssen. Um sich zu verkaufen, sind sie gezwungen, sich und den Veranstaltern etwas vorzumachen. Ich ging, öffentlich fast unbemerkt, nach Buchs und Belp, Bolzano und Belluno, Bielefeld und Biberach und litt, wenn eine Szene nicht funktionierte, wenn der Lacher nicht kam, wenn ich etwas vergessen hatte, wenn ich Szenen durcheinanderbrachte oder mich verletzte. Es war die Chance, mich und das Stück zu entwickeln, ein organisches Hineinwachsen in meinen Beruf. Die dreissig bis hundert Zuschauer pro Abend halfen mir dabei. Die erste Aufführung in Mailand dauerte vierzig Minuten, heute dauert das Stück sechzig bis siebzig Minuten, je nach Publikum.»

An die ersten Schweizer Auftritte, die im Frühling 1982 weiter stattfinden, schliessen sich erste Auftritte in Deutschland an. Im Juni ist Gardi in Düsseldorf, Bonn, Frankfurt und Freiburg. Alle wollen Hanna sehen und, «Grammelot sei Dank», kann sie überall spielen. Sprachgrenzen existieren für die lustige Wäscherin nicht. In den ersten fünf Jahren wird Gardi Hutter in acht Länder eingeladen. Und die Kritiker sind sich mit ganz wenigen Ausnahmen, die man mit der Lupe suchen muss, einig: grossartig.

Anerkennung findet Gardi Hutter auch schnell an der Schweizer Künstlerbörse in Thun. Nach ihrer Vorstellung als Hanna kann sie sofort 15 bis 20 Vorstellungen verkaufen. Gunda Dimitri bucht sie für das Teatro Dimitri in Verscio, und wenn «Expertin Gunda» bucht, buchen die anderen auch. Das Theater am Hechtplatz in Zürich ist darunter, die Kulturbühne in St. Gallen, das Kleintheater in Schwyz. Nur Emil Steinberger vom Kleintheater in Luzern will sie in den ersten drei Jahren nicht. Ihm sei diese Frauenfigur zu aggressiv gewesen, sagt Gardi Hutter. Doch irgendwann kommt man an den prallvollen Sälen der Clownerin nicht mehr vorbei. Theaterdirektorin Heidi Vokinger setzt sich durch, bucht «Die tapfere Hanna», und bald freut sich auch Emil über jedes neue Stück.

Gardi Hutter als Lehrtochter im Stück «Sind mir denn niemer!» im Theater Claque in Baden, zusammen mit Kaspar Lüscher (1978).

Kämpferisch und komplexfrei

Warum schlägt Hanna so schnell ein? Klar ist, dass Gardi Hutter eine Clownfigur erfunden hat, die es so bisher noch nicht gab: eine Frau, unförmig, ungepflegt, schlecht gekleidet. Das exakte Gegenteil genormter weiblicher Schönheitsvorstellungen. Ebenso werden alle weiblichen Tugenden missachtet: Sanftmut, Freundlichkeit, Untergebenheit, Friedlichkeit, Bravheit. Hanna ist zielgerade, kämpferisch, wütend, komplexfrei, auf sofortige Lustbefriedigung aus, aber auch drollig, tollpatschig, naiv und einfach liebenswert, wie es sich für eine Clownin gehört. Die Mischung macht es.

Gardi Hutter sagt: «Ich habe, was ich negativ erlebt hatte, in der Figur Hanna überspitzt. Ich erinnere mich an eine meiner Tagträumereien: Ich, ungewaschen, ungekämmt, hässlich und mürrisch, und alle lieben mich – eine extreme Form von bedingungsloser Liebe. Irgendwie ist dies zur Metapher meiner Figur geworden. Ich habe mit Hanna die ‹weiblichen Untugenden› zum Blühen gebracht – über den Humor.» Der grosse Sprung in jener Zeit war der Mut zur Hässlichkeit. Das war das Neue, das Besondere. Die überraschende Achse zum Komischen. Und so steckt in Gardi Hutters Clownerin Biografisches und Gesellschaftliches. Gardis Trotz, ihre Wut, ihr Leiden an den gängigen Schönheitsbildern, ihre Minderwertigkeitsgefühle, ihr Bewusstsein für die Geschlechterfrage, all das hat sie verwendet, um daraus eine Bühnenfigur zu kreieren, und das Publikum versteht über das Lachen, was die Künstlerin meint, was sie sagen will.

Hanna betritt die Bühne Anfang der 1980er-Jahre zum richtigen Zeitpunkt. Die Figur entsteht im Gefolge der aufgewühlten feministischen 1970er-Jahre. Die Frauenbewegung zersplittert in viele Richtungen und Untergruppen. «In dieser Zeit entstand viel feministisch motiviertes Theater, viel Anklage und Klage über das Opfersein. Frauentheater war anstrengend, meist verliessen die Zuschauer den Saal deprimiert. Nicht weil schlecht gespielt wurde, sondern weil die Situation der Frauen so aussichtslos erschien. Und dann kam Hanna: saufrech, selbstbewusst, schwarzhumorig, unideologisch, anarchisch. Hanna war so schnell erfolgreich, weil die Zeit reif war für eine komische Frau.» Gardi Hutter sägt bewusst und gerne an den Rollenbildern, das sieht man auch in ihren Notizheften. Und es ist beeindruckend zu sehen, wie viele Ansätze es brauchte, wie viel probiert und verworfen wurde, wie gross der Heuhaufen war, in dem Gardi Hutter Anfang der 1980er-Jahre ihre Stecknadel fand: die tapfere Hanna. Aber es ist nicht nur die Figur alleine, ebenso genial ist diese erste einfache Grundidee, dass da eine Frau vor einem grossen Berg Wäsche steht. Jeder Mensch auf dem Globus kennt die Situation, unabhängig von Kultur und Sprache. Die Kombination von Figur und Idee wird «Die tapfere Hanna» nicht nur zum vierzigjährigen Evergreen – und damit zu einem Klassiker – machen, sondern sie auch um den ganzen Erdball tragen.

Der Text besteht aus zwei gekürzten Auszügen aus der Biografie über Gardi Hutter «Trotz allem»

AARAU Alte Reithalle, So, 22. Dezember, 17 Uhr («Die tapfere Hanna»)

BADEN Kurtheater, Mi, 18. Dezember, 20 Uhr («Die tapfere Hanna»); Fr, 31. Januar, 20 Uhr («So ein Käse»)

REINACH Tab, Sa, 18. Januar, 20 Uhr («So ein Käse»)

Lesetipp

Die Biografie über Gardi Hutter mit dem Titel «Trotz allem» der Autorin Denise Schmid zeichnet mit vielen Details das bewegte Leben und die vielen Stationen der Künstlerin nach. Die dichte Erzählung gibt Einblicke in den Zeitgeist der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre und lässt die Spannungen der jungen Gardi Hutter mit den damals herrschenden bürgerlichen Konventionen nacherleben. Der Text wirft ein Licht auf die prekären Lebensbedingungen unter denen Hutter ihre Kunst entwickelte, bis ihr Anfang der Achzigerjahre der Durchbruch gelang. Ein intimes Porträt über den Menschen hinter der emanzipatorischen Clown-Ikone.

Denise Schmid. Trotz allem. Gardi Hutter. Hier+Jetzt Verlag, 2021, 457 Seiten