Durch den Wald hallt der Ruf einer Eule. Der Ton einer Geige schwingt in einem kaum auszuhaltenden Register. Dann zerbirst die Spannung: Die Monster sind frei, rasen und morden. Orgiastisch, ein Exzess... Und wir sitzen da, gebannt, gelähmt. Hilflos ausgeliefert. Weit weg von der Wirklichkeit, in parallelen Erzählungen, in denen hektoliterweise Kunstblut, Motorsägen, Feuersbrünste und die Schreie der Todgeweihten den Takt angeben. Durchatmen, das alles ereignet sich bloss auf der Leinwand, und dieses Gruseln ist gleichzeitig ein lustvolles Vergnügen.
Was uns ängstigt, bereitet uns Lust – der Mensch ist schon ein komisches Tier. Vielleicht ist es wie mit den Löwen, Bären, Wölfen – im Zoo. Solange sie eingehegt sind, halten wir ihrem Blick stand. Solange sich das Unsagbare auf der Leinwand ereignet, ziehen wir ästhetischen Gewinn. Der Horror lässt uns näher zusammenrücken, im Kinosessel, und auch sprichwörtlich. Die grotesken filmgewordenen Fantasien zeigen uns aber nicht nur die Ausgeburten der Hölle, sondern auch den Menschen – stets als das, was er eigentlich wäre: ein verletzliches, solidarisch sorgendes, auch wehrhaftes, mutiges Wesen. Viele Charaktereigenschaften kommen also zum Vorschein, die in unserem Alltag, in dem der Horror abwesend ist (oder aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt?), in den Hintergrund geraten sind. Um diese Spiegelbilder zu entdecken und einen Blick in archetypische Ängste zu werfen, lädt das Brugggore im April ein: Das erste Horrorfilmfestival der Schweiz ist in der kurzen Zeit seines bald dreijährigen Bestehens ansehnlich gewachsen. In den zwei Brugger Kinos Excelsior und Odeon geben sich Spass und Schrecken die Hand, sogar ein Award wird verliehen. Bestimmt ein Besuch wert.
Ein weiterer Blick in Horrorschatullen direkt vor der Haustür wagen die Künstler*innen um Jonas Studer mit dem Projekt «Pilz potz Blitz», das im Eck Aarau zu besuchen ist. Nur entdecken die Künstler*innen dort kein Monster, sondern einen potentiellen Helden. Pilze sind mehr als bloss Champignons und Trüffel auf unseren Tellern. Sie sind, das zeigen auch neueste Forschungsergebnisse, zentrale Akteure im Ökosystem, vermögen verseuchte Böden zu renaturalisieren oder zeigen im medizinischen Bereich erfolgreiche Ergebnisse im Kampf gegen Depressionen oder Diabetes. Die Menschheit steht noch am Anfang mit ihrem Wissen über Pilze – eine Lebensform, die bereits vor der Kontinentaldrift auf der Erde existierte und in symbiotisch-parasitärer Weise sämtiche Evolutionsschritte begleitete. Studer und Co. sind fasziniert von den rätselhaften Wesensaspekten der Pilze und den verheissungsvollen Möglichkeiten, die sie uns eröffnen. Lernanlass und Inspiration – definitiv nicht nur für die Kunst.
Horror begegnet uns diese Tage leider nicht nur auf der Leinwand. Die Querbezüge auf unsere Gegenwart geben den Fiktionen mindestens eine Bedeutungsebene mehr. Doch anders als im Kinosaal sind wir in unserer Dimension nicht ohnmächtig. Vielleicht gelähmt, verständlich. Doch dieser Zustand sollte nicht zu lange anhalten, das lernen uns die Horrorfilme auch.