Unterwegs mit Dan Gloor aka Slime Spidey
Es ist kurz nach halb sechs und schon dunkel. Die feuchte Kälte schleicht sich in meinen Körper, als ich mich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt mache. Vorbei mit der sommerlichen Leichtigkeit. Es riecht nach Herbst und Winter. Jedes Jahr aufs Neue fühle ich mich in die Vergangenheit zurückversetzt: Als Jugendliche vertrieb ich den Dunkle-Jahreszeit-Blues mit Basketball – eigentlich bis weit ins Erwachsenenalter. Gerade vermisse ich die paradoxe Geborgenheit der Turnhalle, würde sie gern eintauschen gegen die kalten Gassen der Aarauer Altstadt. Aber sind es wirklich nur die tiefen Temperaturen und der schwarze Nachthimmel, die mich ausgerechnet jetzt daran denken lassen? Es liegt wohl auch an meinem Interviewpartner, den ich in Kürze kennenlerne: Dan Gloor aka Slime Spidey. Der Aarauer Rapper hat ebenfalls Basketball gespielt, wenn auch nur kurz. Wichtiger: Ich verbinde seine Musik stark mit meinem Lieblingssport – zwei Dinge, die für mich untrennbar zusammengehören.
Ich bin etwas zu früh an der Laurenzentorgasse, muss jedoch nur kurz warten. Schon trifft Dan Gloor ein. Nach der freundlichen Begrüssung spreche ich ihn gleich auf meine Gedanken an. Seine Antwort ist differenziert. «Basketball hat mehr mit Rap und Hip-Hop zu tun, als Rap und Hip-Hop mit Basketball.»
Zusammen gehen wir in Richtung des Tonstudios, in dem er seit zwei Jahren mit einem seiner Freunde, 35otb, einen Raum mietet. Er kennt Aarau wie seine Westentasche: Dan Gloor wächst hier auf. Hier geht er zur Schule und hier lebt er heute noch in einer WG. «Ich mag Aarau vor allem wegen der coolen Leute. Und die Lage ist perfekt, man braucht nicht lange, um nach Zürich oder in eine andere grössere Stadt zu fahren.» Für seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner pendelt er nach Abschluss der obligatorischen Schule täglich Richtung Rupperswil. Im Moment allerdings leistet er Zivildienst und nutzt diese Zeit, um sich beruflich neu zu orientieren. Dan Gloor weiss mittlerweile, dass er sich eher in einem sozialen oder kulturellen Berufsfeld zu Hause fühlen wird. Er spricht offen darüber und trägt seine suchende, zuweilen auch feinfühlige Seite während unseres Treffens ungeniert nach aussen. Das entspricht so gar nicht dem – meinem – Bild eines Rappers. Es wird nicht das letzte Mal sein an diesem Abend, dass ich das denke.
Wir treten ins Tonstudio und setzen uns aufs tiefe, abgewetzte Sofa. Der Raum ist rudimentär eingerichtet, ein paar Bilder von legendären Persönlichkeiten hängen an der Wand. Michael Jackson, die Hip-Hop-Gruppe D.P.G. oder der Produzent Nick Mira. Das Licht ist schummrig. Dan Gloor, jetzt ganz Slime Spidey, reicht mir ein Glas Wasser und setzt sich vis-à- vis in einen Sessel. Er, der als Kind mit seinem Vater auch gern mal zu Hause musiziert und Posaune spielt, hört heute vor allem deutschsprachigen Rap und New Wave. Das bedeute aber nicht, dass er die übrigen Musikrichtungen ausschliesse, wie er betont. Überhaupt ist Slime Spidey ein offener Mensch. Die Abwertung anderer liegt ihm fern. Das spiegelt sich auch in seiner Musik. «Ich achte darauf, mit meinen Texten niemanden zu diskriminieren.» Auch bei unserem Gespräch drückt er sich gewählt aus. Er ist jemand, der stets versucht, für die unterschiedlichsten Meinungen Verständnis aufzubringen. Seine Tracks handeln von alltäglichen Dingen, von seinem Leben als Kleinstadtbewohner. Aber auch politische Statements baut er ein. Visionen für einen neuen Song tauchen plötzlich auf, also schreibt er sie nieder. Seine ersten Musikversuche bezeichnet er als «pures Chaos».
Deswegen besorgen sich Slime Spidey und seine Freunde, darunter 35otb, der den Beat macht, ein Musikprogramm und bringen sich über Online-Tutorials und über die Trial-and-Error-Methode alles bei, was Musiker*innen wissen müssen. Sie experimentieren, üben, verbessern sich. Slime Spidey spielt in der Folge 15 Konzerte in Aarau und um Aarau herum. «Live zu performen ist das schönste Gefühl, das ich kenne.» Dabei geht es ihm weniger darum, im Mittelpunkt zu stehen. Er mag vielmehr die Tatsache, dass Menschen mit ihm zusammen seine Musik feiern.
Für sein letztes Album «(tag)träum» arbeitet er mit der Jugendkulturförderung Kulturdünger zusammen, gibt seine Tracks extern zum Feinschliff. Immer mehr Menschen kennen ihn, dennoch ist seine Bekanntheit vor allem regional. Hier setzt er an. Vom Rappen leben zu können, ist nicht nur sein Traum. Es ist auch sein Ziel. «Und wenn es nicht ganz klappt, dann arbeite ich Teilzeit nebenbei.» Über Social Media will er seine Musik verbreiten, seine Marke in Umlauf bringen. Gleichzeitig beginnt er, diese Strategie zu hinterfragen. Gelingt so eine gute Vermarktung? «Ich habe meinen Songs zu wenig Zeit gegeben, sich richtig zu entfalten. Die letzten zwei Jahre hauten wir einen Track nach dem anderen raus.» Das soll sich ändern. Das neuste Album erscheint Ende März. Wiederum arbeitet er dafür mit 35otb – und tambi, einem weiteren Freund – zusammen. Es heisst «Bravo Hits» und ist ein Partyalbum. «Wir rappen übers Feiern und sorgen damit wiederum für Partymusik. Die Beats gehen dabei für einmal in Richtung Elektro und House.» Natürlich weiss er als junger Musiker, wie man in Clubs so richtig abgeht – aber es ist ihm wichtig, zu sagen, dass er dabei nie seine Werte bezüglich guten Benehmens aus den Augen verliere. Auch die unanständigen Dinge macht er auf eine anständige Art.
ZUR PERSON
Dan Gloor aka Slime Spidey (*2002) hat bisher das Album «(tag) träum», die zwei Tapes «silenos» und «Trapprinz» sowie die EPs «Moshpit und Chueche» und «Broke aber Bö» veröffentlicht. Ende März erscheint sein neustes Album «Bravo Hits». Am 9. Dezember tritt er mit LES live im Kiff auf, der Auftritt ist gleichzeitig Plattentaufe von «sugo 2» (Les) und «Trapprinz».
AARAU Kiff, Sa, 9. Dezember, 21 Uhr