Flexionen des Alltags

Unnormal erfolgreich

Von
Eva Seck

Die Eva-Seck-Kolumne

In einem Podcast erklärt die Neurowissenschaftlerin Maren Urner («Radikal emotional. Wie Gefühle Politik machen»), dass Erfolg in unserer Gesellschaft falsch definiert sei. Mich treibt die Frage nach dem «erfolgreichen Leben» ebenfalls um: Wann gelte ich als erfolgreich? Wenn ich ein grosses Haus/Auto besitze? Wenn ich berufliche Erfolge, Titel und Preise oder die neueste Anschaffung auf Social Media präsentieren kann? Wenn das Kind einen hohen IQ hat? Rein faktisch, meint Urner, kann etwas, was unsere Lebensgrundlage nicht erhalten kann, nicht als erfolgreich gelten. Auch auf individueller Ebene sei es ein (biologischer) Fakt, dass uns einzig funktionierende soziale Beziehungen langfristig glücklich und zufrieden machen. Als erfolgreich sollten darum jene Menschen gelten, die in Verbindung leben – mit anderen Menschen, der Mitwelt und sich selbst. Daran anschliessend wirft sie eine weitere Frage auf: Was gilt als normal? Wir würden beispielsweise so etwas wie «fairen Handel» kennen und folglich auch «unfairen Handel», den wir aber als normal definiert hätten. Es brauche emotionale Reife, um zu verstehen, dass mit unserem Normalitätsdiskurs etwas Grundlegendes nicht stimmt. Wenn man diese Brille erst mal aufhat, ist es lustig zu sehen, was alles als «normal» respektive «unnormal» gerahmt wird. Pflanzlich essen? Unnormal. Autofreie Städte? Unnormal. Pestizide im Grundwasser? Normal. Unfairer Handel? Normal! Die Liste lässt sich zu beliebigen (Gesellschafts-)Politischen Themen fortsetzten und endet zwangsläufig bei der AfD: «Deutschland. Aber normal». In diesem Sinne: Ein unnormal erfolgreiches 2025!

Eva Seck (*1985 in Rheinfelden) schreibt Lyrik, Prosa und essayistische Texte. Ihr letzter Gedichtband «versickerungen» erschien 2022 im Verlag «die brotsuppe» in Biel. Sie lebt mit ihrer Familie in Basel.