Die Geschichte einer Stadt lässt sich an ihren Gebäuden ablesen: Das historische Museum Baden setzt sich in der Sonderausstellung «Die gute Architektur» mit unterschiedlichen Gebäuden und architektonischen Visionen der Bäderstadt auseinander. In Zusammenarbeit mit dem Verlag Hochparterre ist dazu ein Architekturführer entstanden, der 120 Gebäude porträtiert und einstige urbane Utopien und Visionen wieder in Erinnerung ruft. Nachfolgend ist ein kurzer Auszug daraus zu lesen.
Simeon Halstead Associates entwerfen opulente Luxusresorts in Rio, in Bombay, in Kairo oder in Sharm El Sheik. 1995 sollte Baden diese Liste ergänzen. Die Architekten legten im Auftrag einer israelischen Investorengruppe Pläne für den «Riverfront Entertainment Complex» vor. Es sollte eine Mischung aus Wellnessbad, Luxushotel, Einkaufszentrum und Casino werden im Stil einer Collage aus Jumbochalet, stalinistischer Zuckerbäckerarchitektur und japanischer Pagode. Das Unterfangen zur Wiederbelebung des serbelnden Bäderquartiers scheiterte. Die Investoren schoben die Schuld den Behörden zu, weil sie sich geweigert hätten, die anvisierte Casinolizenz zu erteilen. 25 Jahre später entstand an gleicher Stelle das heutige Wellnessbad Fortyseven.
Gross gedacht hatte man im kleinen Kurort schon im 19. Jahrhundert. Keinen Geringeren als Gottfried Semper, Gründungsprofessor und Erbauer der ETH Zürich, holte der Kurverein 1865 nach Baden und beauftragte ihn mit der Standortanalyse eines Parks mit ‹Conversationshaus›. Sempers Vorschlag bestand aus einer barocken Anlage mit Volieren, Teichen, Alleen und botanischem Garten. Darin ein mächtiger Bau mit einem Kuppelsaal im Zentrum; umgeben von Bibliothek, Theater, Ausstellungsräumen, Restaurant und Café. Doch Semper hatte zu dick aufgetragen: Die Kosten schossen dermassen durch die Decke, dass die Zusammenarbeit mit ihm aufgekündigt wurde und Robert Moser ein Projekt in bescheidenerem Massstab entwarf. 1875 wurde sein Kurpark mit Kursaal für das Publikum geöffnet. Nichtgebautes beflügelt die Fantasie. Wie hätten sich Riverfront oder Sempers «Conversationshaus» auf Badens Entwicklung ausgewirkt?
(Auszug aus «Utopia Baden», in Architekturführer Baden, Edition Hochparterre)
INTRAPOLIS – VISION EINER HUMANISTISCHEN STADT
Die neue Sonderausstellung im Historischen Museum Baden ergänzt den «Architekturführer Baden. Gebäude, Freiraum, Infrastruktur. Edition Hochparterre 2023» und zeigt Trouvaillen wie Pläne, Modelle und audiovisuelle Beiträge zur Architektur von Baden, die nicht zwischen zwei Buchdeckel passen. Die Schau spürt der Frage nach der «guten Architektur» nach, will Sinn für Räume und Bauten schärfen und zum Mitdiskutieren anregen. Während der Ausstellung finden zahlreiche Veranstaltungen statt. Am 11. Mai trifft sich Roy Oppenheim zum Gespräch mit Ausstellungskurator Fabian Furter über Walter Jonas. Der Badener Künstler und Städteplaner Jonas entwickelte 1958 die Vision der Intrapolis, einer humaneren Stadtform in Form eines Trichters. Oppenheim, der Neffe des einstigen Visionärs, spricht über Planungsutopien von gestern und heute. mh
BADEN Historisches Museum, Ausstellung bis 10. September Gespräch «Visionen und Utopien», Do, 11. Mai, 18.30–20 Uhr