Stabsübergabe an der Bühne Aarau: Ann-Marie Arioli ist neue Künstlerische Leiterin und Peter Jakob Kelting tritt in den sogenannten Ruhestand. Zeit, Hallo und auf Wiedersehen zu sagen und einen Blick nach vorn und zurück zu werfen.
Ich erlebte einen sehr freundlichen, willkommen heissenden Einstieg. Es war toll, die vielen Leute von der und rund um die Bühne Aarau kennenzulernen.
Wir sind ein Haus, das eine Art Stadttheaterfunktion hat, also das das grösste Theater der Stadt und Region ist und das viele Interessen und ästhetische Bedürfnisse bedienen soll. Dieser Vielfältigkeit eine eigene Identität zu geben, ist bestimmt ein zentrales Anliegen von mir. Ich möchte ein öffentliches Bewusstsein für die Bühne Aarau schaffen, eine Haltung, dass man in unserem Haus bei jedem Besuch etwas Spannendes erlebt. Eine weitere Herausforderung ist, für die grosse Bühne mit den knappen Mitteln auch Produktionen zu holen, die dafür konzipiert sind. Wobei, das muss ich an dieser Stelle festhalten, die Reithalle ist ein Geschenk, weil in ihr auch eine Intimität für kleinere Produktionen hergestellt werden kann. Ich kenne keinen anderen Raum in der Schweiz in dieser Grösse, der das so schafft. Wir werden versuchen, mehr überregionale und internationale Produktionen hier hinzuholen und sie in einen Arbeitszusammenhang zu bringen mit hiesigen Kulturschaffenden. Im Idealfall führt das dazu, dass Aargauer Kulturschaffende auch woanders auftreten.
Es gibt ja nichts, was es nicht schon gibt an der Bühne Aarau. (Lacht) Und das ist gut so. Aus meiner Arbeitsbiografie heraus, wird es wahrscheinlich ein bisschen mehr musiktheatrale Formen geben. Wir werden die Bedürfnisse der Stadt, des Publikums und der Kulturschaffenden im Auge behalten. Im Moment mag ich unser breites Profil. Thematisch interessiert es mich, aktuelle gesellschaftliche Themen aufzugreifen. Ich glaube, dass wir mit unserer Grössenordnung auch eine Verpflichtung haben, Kunst zu ermöglichen. Bei uns sollen Dinge entstehen können. Peter Kelting hat dazu beigetragen, dass es hier eine aktive Theaterszene und Nachwuchs gibt. Und wir wollen weiterhin Bühne und Sprungbrett für sie sein.
Meine Zeit beim Netzwerk Industriewelt war spannend, aber auch sehr kurz. Ich war erstaunt, wie viele Start-Ups es im Aargau gibt und was für verrückte Sachen hier produziert werden. Diesen Spirit in Zukunft aufzugreifen, in Kooperationen weiterzudenken, ist sicherlich ein Ziel. Aber dafür braucht man auch künstlerische Partner. Jetzt für den Moment konzentriere ich mich auf die Menschen, die schon näher an der Bühne Aarau dran sind.
Ich begleite noch zwei Produktionen und bin noch im Übergabeprozess involviert, und der vollzieht sich gerade sehr kollegial. Wir hebeln ein Theatergesetz aus, das behauptet, dass die einzigen zwei Feinde, die eine Theaterleiterin hat, der Vorgänger und die Nachfolgerin sind (lacht).
Ich erlebte hier eine herausfordernde, aber eine sehr befriedigende Zeit. Ich habe den Eindruck, wir haben die Stadt ein Stück weit mitgenommen in unserer Entwicklung. Wir haben nicht im luftleeren Raum gearbeitet, sondern wir sind in einen osmotischen Austausch getreten mit verschiedenen Publika und sind gewachsen. Sonst wäre ja die Alte Reithalle gar nicht denkbar gewesen. Das erfüllt mich mit Dankbarkeit.
Ja, davon gibt es schon ein paar. Sie spielen hauptsächlich am Schreibtisch, also auf einer relativ kleinen Bühne. Mehr kann ich aber nicht sagen. Ann-Marie und ich haben noch ein gemeinsames Mandat bei einem Netzwerk für Darstellende Künste, das sich um die Frage dreht, wie Theaterproduktionen aus der Peripherie besser ausgewertet, also öfter gespielt werden können.
Wir sind in kurzer Zeit zu DEM Theater der Region Aargau-West geworden. Und es gibt bereits ein hohes Mass an Identifikation. Auch architektonisch löst der Bau die Erwartungen ein. Künstler*innen, die hierherkommen, sind alle begeistert. Die wachsenden Besucher*innenzahlen zeigen, dass das Publikum das auch so sieht. Und wir wurden vom Kanton in den Rang eines Leuchtturms gehoben.
Was sich noch nicht so eingelöst hat, wie man das fälschlicherweise erwartet hat: Das Publikum aus Genf, Zürich, Basel und Bern ist jetzt nicht in Scharen zu uns gelaufen. Aber das wird sich noch entwickeln.
Die Eröffnung der Alten Reithalle war für mich ein unbeschreibliches Glück. Diese wunderbare Mischung von Menschen auf und neben der Bühne, die mit 250 Zuschauer*innen jeden Abend diese Halle gefeiert haben. Und dann sind es die vielen kleinen Momente, die Atmosphäre vor und nach den Vorstellungen, die Gespräche mit unserem Publikum, dieser soziale Aspekt – das wird mir fehlen. Auch bin ich stolz darauf, wie wir das Kinderund Jugendtheater auf ästhetischer Ebene weiterentwickelt haben.
Das Projekt an sich ist mir nie verleidet worden. Die Alte Reithalle und ich haben es ganz gut miteinander ausgehalten. Karma oder Schicksal (lacht). Geduld gehört nicht zu meiner Kernkompetenz, aber im Nachhinein muss ich sagen, dass ich gelernt habe, dass Umwege gehen immer die Qualität erhöht.
Ich wünsche ihr eine überregionale Ausstrahlung, bei gleichzeitig starker Verankerung in der Stadt. Zudem wünsche ich der Bühne Aarau, wie dem ganzen Schweizer Theaterleben, eine grössere Grundneugierde des Publikums. Eine Lust auch, sich überraschen zu lassen. Theater ist ein Lebensmittel. Gerade in Krisenzeiten. Theater schafft gemeinschaftliche Erlebnisse, bringt Menschen aus unterschiedlichen Schichten zusammen, ermöglicht Diskussion, ja, ist ein Ort der Inklusion
Ann-Marie Arioli ist in Bern geboren, studierte in Zürich und Wien Germanistik, Philosophie und Wirtschaftsgeschichte, später Kulturmanagement in Winterthur. Zuletzt war sie leitende Dramaturgin und Mitglied der Theaterleitung am Theater Kanton Zürich in Winterthur.
Peter Jakob Kelting studierte Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie in Hamburg. Er leitete seit 2011 das Theater Tuchlaube und begleitete massgeblich das Projekt Alte Reithalle und die Zusammenführung mehrerer Bühnen zur Bühne Aarau. Ende März wird er in den Ruhestand.