Kosmischer Existenzialismus: «A Single Universe» von Pauline Julier im Aargauer Kunsthaus.
Im Aargauer Kunsthaus rumort es gewaltig. Wenn man die lichtdurchflutete Eingangshalle betritt, macht sich die Ausstellung von Pauline Julier bereits akustisch bemerkbar. Man kann das Raunen nicht ausblenden – und ist damit schon mitten im Thema. Klimawandel, Geschichte, Natur, Maschinen, Weltall und Nachhaltigkeit sind nur eine Handvoll Dinge, die Julier bewegen. Ganz klar lassen sich die Grenzen zwischen diesen Begriffen nicht ziehen. Die Genfer Künstlerin und Filmemacherin versteht es, verschiedene Dinge auf unkonventionelle, aber stimmige Weise zusammenzubringen. Kunst und Wissenschaft etwa.
In ihrem Schaffen spielen intensive Recherchen und Gespräche mit Menschen aus unterschiedlichsten Kontexten eine Rolle. Julier erzählt, sie habe einen Forscher kennengelernt, der meinte, dass auch Wissenschaftler Geschichten erzählen, um ihre Forschung zu vermitteln. Die Künstlerin verstand, beide müssen ihr Wissen in eine Erzählung umformen: «Alle Künstler*innen sind auch Forscher*innen.»
Für Science-Fiction-Fans bietet die Ausstellung eine wilde Entdeckungsreise: eine gespenstisch anziehende Supernova, Raketenflüge, die zum Scheitern verurteilt sind, ein 300 Millionen Jahre alter Wald, der aus Fossilen rekonstruiert wurde und Mars-Rover, die Gefühle haben. Pauline Julier kreiert Raum für ihre Bildsprache, damit die Eindrücke hängen bleiben. Dabei spielt das Licht eine tragende Rolle: Im Dunklen möchte man sich zurückziehen, im Rotlicht ist man in einer anderen Welt. Besonders magisch ist ein Raum, in dem immer die «Golden Hour» herrscht – das goldene Licht der Abendsonne. Die Installationen von Julier haben einen Sog, der mit der Zeit immer stärker wird. Mit Filmen, begehbaren Bauten, Skulpturen und Bildern wird für jede Thematik ein passendes Medium ausgewählt. Beim Rundgang werden Besuchende Teil eines fortlaufenden Gedankenstrangs. Pauline Julier meint dazu: «Ich denke, dass Kunst eine Form des Denkens sein kann.»
Im Aargauer Kunsthaus tritt Julier mit vielen verschiedenen Protagonist*innen in einen Austausch. «Alleine habe ich nichts zu sagen. Wir denken alle gemeinsam mit anderen Menschen», sagt die Künstlerin. So sind in der Ausstellung auch zwei Malereien von Capar Wolf zu sehen. Ein Aargauer Landschaftsmaler der Vorromantik trifft auf eine Genfer Gegenwartskünstlerin. Die Leidenschaft für die Umwelt verbindet die beiden.
Der Titel der Ausstellung, «A Single Universe», leitet sich von einem Gespräch mit Karen Luza, einer indigenen Aktivistin der Atacameños in Chile, ab. Im Highlight der Ausstellung wird Pauline Juliers rund stündige Videoinstallation, «Follow the Water» (2023), auf ganzen drei Screens gezeigt. Dort trifft man auf Karen Luza, die über die Verbindung zwischen der Erde und dem menschlichen Körper spricht. Für Luza kommen alle diese Teile in einem einzigen Universum zusammen.
Die Kunst von Pauline Julier stösst einen übergreifenden Dialog an. Zwischen den Protagonist*innen in den verschiedenen Installationen, aber auch dem Publikum, das unverweigerlich dazugehört. In ihrer umfassendsten Einzelausstellung bis dato erzählt die Künstlerin eine Geschichte, die radikal neue Perspektiven auf den Planeten fordert. Pauline Julier sagt dazu: «Ich wünsche mir, dass die Menschen nach der Ausstellung darüber nachdenken, wie sie die Geschichte weiterführen können.»
AARAU Aargauer Kunsthaus, bis 27. Oktober