Flexionen des Alltags

VORSTELLBARE ZUKÜNFTE

Von
Eva Seck

Die Eva-Seck-Kolumne

Was ist Ihre Utopie von einer zukünftigen Gesellschaft? Wenn Sie träumen dürften (und das dürfen Sie): Welches Leben würden Sie für sich, Ihre Familie und Freundinnen, für Ihre Mitmenschen wünschen, wenn Sie das Credo von Wirtschaftswachstum und Bruttoinlandproduktsteigerung ausblenden, weil es für die zukünftige Gesellschaft nicht relevant ist – dafür aber andere Dinge.

Ich stelle mir vor, wir würden Care-Arbeit, also wechselseitige und verlässliche Fürsorgearbeit (berufliche, private, für Mensch und Mitwelt) ins Zentrum unserer Gesellschaft rücken, weil – wie es die Autorin und Publizistin Teresa Bücker ausdrückt – «das gute Kümmern umeinander viel mehr Menschen handlungsfähig macht». So würden wir gleichzeitig die Möglichkeit schaffen, möglichst alle an demokratischen, zivilgesellschaftlichen und ökologischen Prozessen beteiligen zu können. Teresa Bücker schreibt weiter: «Es ist unser menschlicher Kern, genug Zeit haben zu wollen für Freund_innen, Schlaf, Kinder, die Mitgestaltung der Gesellschaft und Aufgaben, aus denen wir Sinn ziehen.»

Sprechen Sie also mit Ihren Liebsten darüber, mit jenen Menschen, die Sie nicht eine*n Träumer*in oder Schlimmeres nennen werden und utopisieren Sie gemeinsam. Lassen Sie sich vom inneren Kritiker nicht gleich abwürgen. Vergessen Sie die Stimmen, die sagen: «Das ist naiv, wir brauchen Wirtschaftswachstum für Wohlstand und Demokratie.» Wir haben das Recht, die Perspektiven zu wechseln und wir müssen es. Denn eines ist sicher: Es wird nicht so bleiben, wie es jetzt ist, und alle Menschen sollten die Freiheit haben, sich zu kümmern und selbst umsorgt zu werden.

Eva Seck (*1985 in Rheinfelden) schreibt Lyrik, Prosa und essayistische Texte. Ihr letzter Gedichtband «versickerungen» erschien 2022 im Verlag die brotsuppe in Biel. Sie lebt mit ihrer Familie in Basel.