Die Tage vor der Auktion am 9.November in New York hatten es in sich: Es lag nur ein geringes Interesse an den drei Bildern von Paul Cézanne aus der Sammlung des Museums Langmatt vor. Der Kunstmarkt ist angespannt. Die Weltlage instabil. Dies führte zu einer fragilen, sprunghaften und unübersichtlichen Ausgangslage. Eine gewaltige Herausforderung mit beträchtlichen Risiken für die bevorstehende Auktion. Stiftungsratspräsident Lukas Breunig-Hollinger, Vizepräsident und Quästor Stefan Bräm, Kommunikationsberater Bernhard Schmid und ich mussten mehrfach täglich die sich ändernde, ungünstige Situation neu interpretieren. Was würde sich bis zur Auktion ändern? Welche Stellschrauben sind überhaupt beeinflussbar? Und die drängendste Frage: Was, wenn die 40 Mio. Franken nicht erreicht werden? Wäre dann das Museum überhaupt zu retten? Bis zum Abend der Auktion folgte Besprechung auf Besprechung. Das erhoffte Interesse der Käuferschaft blieb jedoch mehr oder weniger schwach. Und die Signale wechselten manchmal stündlich. War am Vormittag ein vages Interesse auszumachen, hatte es sich am Nachmittag bereits wieder verflüchtigt. Hoffnung und Sorge. Wir standen permanent in telefonischem Kontakt mit den Verantwortlichen von Christie’s und diese wiederum mit ihren Kundinnen und möglichen Käufern. Zwischenzeitlich hing die Langmatt am seidenen Faden. Hinzu kam eine weltweite Welle von Medienanfragen. Nicht nur die bekannte Kritik, sondern auch die kürzlich in Rekordzeit erzielte Einigung mit den Erben von Jacob Goldschmidt führten zu zahlreichen Nachfragen, da die Medien umfassende Berichte zum Auktionsergebnis vorbereiteten und den aktuellen Stand erfahren wollten: Print, Radio, Fernsehen. Unterdessen waren wir vor allem damit beschäftigt, drohende Worst-Case-Szenarien zu antizipieren und in enger Zusammenarbeit mit Christie’s bestmögliche Verkaufsstrategien zu entwickeln. Hierbei gab es unterschiedlichste Parameter zu beachten. Dabei waren der Dollarkurs und die Festlegung der Mindestverkaufspreise fast schon nebensächlich. Wesentlich anspruchsvoller war beispielsweise die Frage einer Garantie durch die Käuferschaft. Anfänglich stand die Frage im Raum, ob die Langmatt für den «Ingwertopf», das mit Abstand wertvollste der drei Bilder, eine solche Garantie akzeptiere. Hierbei prallen üblicherweise unterschiedliche Interessen diametral aufeinander: Die Käuferseite möchte möglichst wenig bieten, die Verkäuferseite hingegen eine möglichst hohe Garantiesumme erhalten. Für die potenzielle Käuferseite bietet dieses Szenario aber auch die Möglichkeit, auf einen höheren tatsächlichen Verkaufspreis durch Dritte zu spekulieren, was sich in einem Anteil an der Differenz zwischen Garantie und Verkaufspreis auszahlt. Mit wem hatten wir es zu tun: Spekulanten oder Sammlerinnen?
«Zwischenzeitlich hing die Langmatt am seidenen Faden.»
Das Schweizer Fernsehen war vor Ort, um einen Bericht für die Tagesschau und einen längeren für den «Kulturplatz» zu drehen. Dies hatte diverse Besprechungen und Koordination von möglichen Drehorten und Settings zur Folge. Dabei mussten nicht nur Licht und Tageszeit stimmen, sondern auch ein späterer, homogener Ablauf des Beitrags. Mara Wantuch-Thole, die Anwältin der Erben von Jacob Goldschmidt, war in anderer Sache anwesend. Ihre Freude über die erst jüngst erzielte Einigung mit der Stiftung Langmatt war deutlich spürbar.
Am Abend der Auktion ging alles ganz schnell: Gegen Ende der Auktion wurden in wenigen Minuten alle drei Bilder der Langmatt verkauft. Allerdings zogen sich beim «Ingwertopf» die Sekunden unangenehm in die Länge. Dieses Bild und «L’Estaque» blieben unter dem unteren Schätzwert. Doch das wichtigste Ziel wurde erreicht: Mit einem Nettoerlös von insgesamt 40,32 Mio. Franken. Für die Langmatt gelang eine Punktlandung hinsichtlich der erforderlichen 40 Mio. Franken. Entsprechend gross unsere Erleichterung, wenn auch nicht ohne Schmerz: Wir hatten gehofft, dass der «Ingwertopf» allein die 40 Mio. Franken erzielen würde und somit die beiden anderen Bilder der Langmatt erhalten blieben. Doch niemand kann den tatsächlichen Verkaufspreis nach Belieben beeinflussen, auch nicht Christie’s: Allein der «Markt» entscheidet, und dies typischerweise in direkter Abhängigkeit von wechselnden Geschmackstrends und aktuellen Krisen weltweit.