Unterwegs

Wie ein Sog

Von
Tania Lienhard

Mit vielen Visionen fürs Theater: Johanna Böckli. Foto: tl

Unterwegs mit Johanna Böckli

Bereits als Kind habe sie Theater geliebt, erzählt Johanna Böckli. Wir sitzen in ihrer Wohnung in Zürich, aus den Augenwinkeln sehe ich durch die Balkontüre nach draussen. Es regnet immer mal wieder leicht. «Meine Mutter hat mich damals oft in Kindervorstellungen mitgenommen. Das hat mich geprägt.» Sie trinkt einen Schluck Kaffee und erzählt weiter. Sie habe schon immer gewusst, dass sie gerne am Theater arbeiten wollte.

«Nur in jungen Jahren war mir nicht klar, wie das gehen sollte. Welchen Job ich überhaupt machen könnte, worin ich gut wäre und was mir gefallen würde.» Heute, mit 43 Jahren, ist sie Theaterregisseurin. Aktuell läuft in St. Gallen ihr neustes Projekt mit dem Titel «Extrawurst», das im Juli im Kurtheater Baden aufgeführt wird. Es ist ihre erste Komödie, die sie als Regisseurin verantwortet. «Vieles hat mit Timing und Tempo zu tun. Bei Komödien noch viel mehr!» Für Böckli sind die Vorführungen am 3. und 4.Juli in Baden eine Art Nach-Hause-Kommen, lebte sie doch ab Primarstufe bis 20-jährig in Ennetbaden und Dättwil, bevor sie dann nach Zürich zurückging, wo sie auch geboren wurde. Es ist für sie die perfekte Stadt mit einem bunten Kulturangebot.

Nach der obligatorischen Schulzeit absolvierte Johanna Böckli eine Kaufmännische Lehre bei Frenetic Films, einem unabhängigen Filmverleiher, um eine solide Basis zu haben, von der aus sie dann weiterschauen wollte. Noch immer fragte sie sich, wie sie einen Fuss in die Theaterwelt würde setzen können. Noch immer war es ein Traum von ihr. Und dann, plötzlich, kam die Gelegenheit: 2010 erhielt sie den Job als Regieassistentin bei Magdalena Nadolska, die damals selbst ihr Debüt gab. «Ich sass tagelang in einem muffigen Raum und beobachtete fasziniert, wie die Schauspielenden auf der Bühne probten. Das war das Grösste für mich – da spielte es auch keine Rolle, dass ich kaum Geld verdiente», lacht Johanna Böckli. Ihr war klar, dass sie sich all die Jahre nicht geirrt hatte. «Ich wollte unbedingt am Theater bleiben.» Es entstand eine regelmässige Zusammenarbeit mit Magdalena Nadolska in Chur, Bern und Zürich. Zudem begleitete sie zu dieser Zeit die Kabarettistin Regula Esposito, aka Helga Schneider von den Acapickels auf Schweiztournee. «Ich hatte zuerst nicht den Anspruch, selbst einmal Regie zu führen. Aber als ich dann 2013 eine Festanstellung als Regieassistenz am Theater Kanton Zürich in Winterthur erhielt, handelte ich die Option in meinem Vertrag aus, in Zukunft selbst ein Stück verantworten zu dürfen.» Ihre Premiere hatte sie dann 2015 mit «der Goalie bin ig» von Pedro Lenz, bei dem sie auch die Textfassung vom Berner in den Zürcher Dialekt umschrieb. Später folgten u. a. «Tschick» sowie «Der Junge mit dem Koffer». Und am Kurtheater Baden führte sie beim Monolog «Kurgast» Regie. Mittlerweile erhält sie ein bis zwei Engagements pro Jahr und arbeitet die restliche Zeit in der Hotellerie in Königsfelden bei den Psychiatrischen Diensten Aargau. Wir ziehen Schuhe und Jacke an und machen uns auf den Weg zum «Schiffbau». Unsere Regenschirme sind geöffnet und wir kommen nach fünf Minuten am Ziel an. «Ich schaue mir hier regelmässig Vorstellungen an.» Johanna Böckli passt perfekt in diese künstlerische Atmosphäre, die bereits vom Vorplatz des Schauspielhauses ausgeht. Sie ist eine Regisseurin, die viel im Teamwork mit den Schaupielenden erarbeitet. «Es muss ja auch für sie stimmen», sagt sie. Natürlich sei sie die, die alle wichtigen Entscheidungen fälle. Und natürlich habe sie schon eine ungefähre Vorstellung davon, wie sie die Szenen realisieren wolle. «Was will ich mit dem Stück aussagen? Das ist eine wichtige Frage.» Aber sie gebe nicht alles vor. Vieles entwickele sich aus dem Gefühl heraus – sowohl bei ihr, als auch bei ihrem Team auf der Bühne. Das Klima der Angst, mit dem einige ihrer Kolleginnen und Kollegen arbeiteten, sei ihr ein Graus.

Was wünscht sie sich für die Zukunft? «Es darf gerne so weitergehen, da hätte ich nichts dagegen.» Für sie müsse es nicht die grosse Showbühne in Deutschland sein. Das brauche sie nicht. «Vielmehr würde mir gefallen, vermehrt Stücke mit weiblichen Hauptrollen inszenieren zu dürfen. Solche gibt es viel zu wenig!» Auf meine Bemerkung hin, dass sie wohl selbst ein passendes Skript schreiben müsse, lacht sie: «Wer sagt denn, dass ich nicht schon daran arbeite?»

ZUR PERSON

Johanna Böckli (43) ist Regisseurin. Dass sie in die Theaterbranche wollte, wusste sie schon immer, nur das Was und Wie waren ihr lange nicht klar. Nun kommt sie mit dem Stück «Extrawurst» nach Baden.

Im Tennisverein geht es um die Extrawurst. Foto: T+T

GROSSES TENNIS UM DEN GRILL

BÜHNE Beim Tennisverein geht es für einmal neben dem Platz hin und her. An der Vereinsversammlung soll über einen neuen Grill befunden werden – eigentlich Formsache. Wäre da nicht der spontane Vorschlag, für das einzige muslimische Mitglied einen zweiten Grill anzuschaffen, halal und von wegen Schweinefleisch. Also entfaltet sich aus diesem (doch eher kleinbürgerlichen) Traktandum eine existenzielle und komische Debatte um Inklusion, Ängste und Vorurteile. Johanna Böckli inszeniert die Komödie «Extrawurst» aus der Feder von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob in einer Ko-Produktion des Kurtheaters Baden mit dem Theater St. Gallen mit den Schauspieler*innen Andreas Storm, Olcayto Uslu, Anja Tobler u. a. Und, wie es sich für ein richtiges Grillfest gehört, unter freiem Himmel. mh

BADEN Kurtheater, Mi/Do, 3./4. Juli, 20.30 Uhr