Die Sehnsucht nach Ruhe und innerem Frieden ist in unserer «modernen» Gesellschaft gross, doch inmitten digitaler Zerstreuung, politischer Krisen und postmodernen Leistungsansprüchen scheint dieser Seelenzustand zuweilen unerreichbar zu sein. Die Strategie, die der antike Stoiker Lucius Annaeus Seneca (ca. 1 – 65 n. Chr.) entwickelte, um zur Ruhe zu kommen, mag zunächst überraschen, aber sie ist bis heute hilfreich: Als Meditationsmethode empfiehlt er ein ständiges bewusstes «Katastrophieren»: «Wenn du aller Bekümmernis ledig werden willst, so stelle dir vor, dass alles, dessen Eintreten du befürchtest, auch unbedingt eintreten wird.» Es gilt gemäss Seneca, sich die noch so unwahrscheinliche Bedrohung möglichst bildlich als tatsächlich eingetroffen vorzustellen. Diese stoische Haltung, die Cicero als praemeditatio futurorum malorum (Vorherbedenken künftiger Übel) bezeichnet, trage auf mehrere Arten zur Gemütsruhe bei: Zum einen wende sie das leidverstärkende Moment der «bösen Überraschung» ab, zum anderen führe sie zur Erkenntnis, dass selbst das worst case scenario schliesslich meist nicht so schlimm eintritt, wie anfänglich befürchtet. Kurzum: Wer erkennt, dass selbst bedrohlichste Ereignisse zu bewältigen sind, kann dem nächsten düsteren Zukunftsszenario mit mehr Gelassenheit entgegensehen und die Momente der Ruhe auskosten.
Rudolf Velhagen, Chefkurator bei Museum Aargau, erkundet an dieser Stelle die verborgenen Botschaften der Dinge. Nicht weniger als 55 000 historische Objekte aus der kantonalen Sammlung warten auf ihre Befragung.